Die Energiewende nachhaltig gestalten
Wie Investitionen in Lösungen für eine nachhaltigere Energieerzeugung, effiziente Energiespeicherung und Energieverbrauch zur Beschleunigung der Energiewende beitragen können.
Zentrale Erkenntnisse
- Die Energiewende wird vor allem von zwei Faktoren vorangetrieben: der immer deutlicher zu spürende Klimawandel und der Wunsch nach energiepolitischer Unabhängigkeit, der durch den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine ausgelöst wurde
- Weltweit beschleunigt sich die Umstellung hin zu mehr Nachhaltigkeit bei Energieerzeugung, Energieverbrauch und Energiespeicherung
- Die Einigkeit darüber, dass die Energieversorgung grundlegend umgestaltet werden muss, ist größer denn je
- Investitionen in Unternehmen, die Lösungen für eine sauberere Energieerzeugung, eine effiziente Energiespeicherung und einen nachhaltigen Energieverbrauch anbieten, können diese Wende beschleunigen und mit gestalten und gleichzeitig für die Anleger attraktiv sein
Weltweit höhere Investitionen in eine ökologische Wende
Jüngsten Analysen zufolge1 kletterten die weltweiten Investitionen in die Energiewende im Jahr 2021 auf einen neuen Rekordhöchststand von 755 Milliarden US-Dollar. Der größte Betrag – 366 Milliarden US-Dollar – floss in erneuerbare Energien; dies entsprach einem Anstieg um 6,5% im Vergleich zu 2020.
Mit Gesamtinvestitionen von 273 Milliarden US-Dollar lag die Elektromobilität im Jahr 2021 auf dem zweiten Platz. Die Ausgaben für Elektrofahrzeuge und Elektroinfrastruktur erhöhten sich um 77% gegenüber dem Vorjahr.
Im regionalen Vergleich sticht die Region AsienPazifik bei den Investitionen in die Energiewende gleich doppelt hervor. Mit 368 Milliarden US-Dollar werden dort nicht nur die höchsten Investitionen weltweit getätigt, sondern mit 38% wurde auch der höchste Anstieg im Jahr 2021 verzeichnet. Auf Rang 2 liegt die Region EMEA, wo sich die Investitionen in saubere Energien im Jahr 2021 auf 236 Milliarden Euro summierten – ein Anstieg um 16% gegenüber dem Vorjahr. Und zuletzt flossen in Nord- und Südamerika im Jahr 2021 150 Milliarden US-Dollar in den Umstieg auf eine von fossilen Brennstoffen freie Wirtschaft, was einem Anstieg um 21% im Vergleich zu 2020 entspricht.
Auf Länderebene hat China im Jahr 2021 am meisten in die Energiewende investiert, nämlich 266 Milliarden US-Dollar. Es folgen die USA mit insgesamt 114 Milliarden US-Dollar für grüne Energien und Deutschland mit 47 Milliarden US-Dollar.
Globale Investitionen in die Energiewende nach Regionen
Quelle: BloombergNEF; Stand: Januar 2022.
Höhere Kapitalströme, niedrigere Kosten – und eine nach wie vor beträchtliche Finanzierungslücke, wenn das 1,5°-Ziel erreicht werden soll
Laut dem Renewables 2021 Global Status Report von REN21 wurden im Jahr 2020 weltweit 303,5 Milliarden US-Dollar in neue Anlagen zur Erzeugung sauberer Energien investiert, was einem Anstieg um 2% gegenüber 2019 entspricht.2
Gleichzeitig gingen die Ausgaben für Onshore- und OffshoreWindanlagen sowie für Solaranlagen im Jahr 2021 den Projektionen der Internationalen Energieagentur3 zufolge um zweistellige Prozentsätze gegenüber dem Vorjahr zurück (13% bzw. 15%). Im selben Jahr erzeugten beachtliche 2/3 der neu installierten Anlagen in den G20 ihren Strom aus erneuerbaren Quellen zu niedrigeren Kosten als die jeweils preiswerteste Alternative, die auf fossilen Brennstoffen basierte.4
Der Rückgang der Kosten für grünen Strom über das vergangene Jahrzehnt hinweg ist noch augenfälliger.
Angesichts dieser günstigen Kostenentwicklung für saubere Energien scheint vorsichtiger Optimismus angezeigt, zumal gleichzeitig die Investitionen in saubere Energien gestiegen sind.
Dennoch reicht das derzeitige Finanzierungsniveau bei weitem nicht aus, um bereits bestehende bzw. neue Niedrigemissionstechnologien weiter zu entwickeln und flächendeckend einzuführen, die zum reibungslosen Umbau des Energiesystems beitragen können.
Wie der Weg zum Erreichen des 1,5°-Ziels bis 2030 frei gemacht werden kann
Nachhaltige Hebel in Bewegung setzen
Laut dem World Energy Transitions Outlook 2022 Report der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency, IRENA) müssen die derzeitigen Investitionen noch innerhalb des laufenden Jahrzehnts beträchtlich erhöht werden, wenn das 1,5°-Ziel erreicht werden soll.5
Dabei spielen die Kapitalmärkte und private Anleger eine zentrale Rolle: Sie werden den Großteil des zusätzlich benötigten Kapitals aufbringen, das für die Umsetzung und Beschleunigung der Energiewende und eine deutliche Erhöhung des Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energiemix erforderlich ist.
Um die Lücke zwischen der Energieerzeugung und dem Energieverbrauch zu schließen und das Netz stabil zu halten, braucht es innovative Lösungen. Diese neuen Spitzentechnologien müssen zur Marktreife gebracht werden, um dann zu einem reibungslosen Übergang beitragen zu können. Darüber hinaus werden Energiespeicherlösungen wie Batterietechnologie und Wasserstofftechnologie künftig an Bedeutung gewinnen. Wasserstoff kann nicht nur zur Energiespeicherung dienen, sondern auch zur Dekarbonisierung von CO2- intensiven Industrien (Stahl und Zement) beitragen und anstelle von Erdgas eingesetzt werden. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist daher nach wie vor wichtig.
Auf dem Weg zu erneuerbaren Energien
In den vergangenen Jahren haben Regierungen und Institutionen rund um die Welt beim Umweltschutz verstärkt aufs Gas getreten und beträchtliche Beträge zur Verfügung gestellt, um ihre Länder und die Welt wieder auf den 1,5°-Pfad zurückzubringen.
USA
Im August haben sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus den Inflation Reduction Act verabschiedet. Das umfangreiche Gesetzespaket stellt laut US-Präsident Joe Biden „die größte Investition aller Zeiten zur Bekämpfung der existenziellen KlimawandelKrise“ dar.6
In den kommenden zehn Jahren sollen knapp 370 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz ausgegeben werden, um die Energiekosten deutlich zu senken, die Erzeugung aus sauberen Quellen zu fördern und die CO2- Emissionen bis 2030 um rund 40% zu senken. Das Gesetz ist insofern durchaus als historisch anzusehen; es „erledigt etwa zwei Drittel dessen, was noch zu tun ist, um die Lücke zwischen der derzeitigen Politik und dem Klimaziel für 2030 zu schließen“7, also die Emissionen bis zum Beginn des kommenden Jahrzehnts zu halbieren.
China
In ihrem 14. Fünf-Jahresplan zur Entwicklung erneuerbarer Energien8 hat sich die Volksrepublik ehrgeizige Ziele zur Förderung des grünen, CO2-armen Umbaus des Landes bis 2025 und darüber hinaus gesetzt. China will bis 2060 CO2-neutral sein, seine CO2-Emissionen schrittweise verringern und den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Stromverbrauch und bei den Erzeugungsanlagen erhöhen.
Chinas Zeitplan für die Entwicklung erneuerbarer Energien bis 2025
Kategorie |
Einheit |
2020 |
2025 |
Anteil erneuerbarer Energien am gesamten |
% | 28.8 | 33 |
Anteil erneuerbarer Energien ohne |
% | 11.4 | 18 |
Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen |
TWh | 2,210 | 3,300 |
Nutzung von erneuerbaren Energien |
kt stce* | — | 60,000 |
Gesamter Energieverbrauch aus erneuerbaren Quellen |
Mt stce* | 6,800 | 10,000 |
Gesamte installierte Wind- und Solarenergiekapazität |
GW | 534.9 | Über 1,200 |
*stce = Standard-Kohle-Äquivalent
Japan
Mit seiner „Grünen Wachstumsstrategie“9 stellt sich das Land drängenden Herausforderungen beim Klimaschutz. Das Programm kann auf den Green Innovation Fund mit einem Volumen von 2 Billionen Yen (rund 15,1085 Milliarden US-Dollar) zurückgreifen. Vorgesehen sind unter anderem:
- Installation von Offshore-Windanlagen mit einer Kapazität von bis 2030 bzw. 30 – 45 GW bis 2040
- Entwicklung von Technologien für die CO2 Produktion von Wasserstoff für Hochtemperaturreaktoren
- Erhöhung des Anteils von E-Autos am Neuwagenkauf auf 100% bis 2035
- CO2-Neutralität der Sektoren Halbleiter-/Informationstechnologie und Kommunikationstechnologie bis 2040
Großbritannien
Der Zehn-Punkte-Plan für eine grüne industrielle Revolution des britischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie10 enthält unter anderem folgende Punkte:
- ein mit 12 Milliarden Pfund ausgestatteter staatlicher Fonds zur Unterstützung CO2-armer Energieerzeugung und die Zusage, bis 2030 Offshore-Windanlagen mit einer Kapazität von 40 GW zu bauen (2021: rund 10 GW)
- ein mit einer Milliarde Pfund ausgestatteter Fonds für die Elektrifizierung von Fahrzeugen und Lieferketten in der Autoindustrie sowie weitere 1,3 Milliarden Pfund für den beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur
- ein „Net Zero Hydrogen Fund“ mit einem Volumen von 240 Millionen Pfund zum Aufbau von Kapazitäten für eine CO2-arme Wasserstoffproduktion mit einem Umfang von 5 GW bis 2030
Deutschland
Die Bundesregierung hat vor kurzem zusätzlich 8 Milliarden Euro11 für den Ausbau erneuerbarer Energien und für Klimaschutzmaßnahmen bereitgestellt. Vorgesehen sind:
- 860 Millionen Euro für „grünen Stahl“ und die Umstellung der Stahlproduktion auf grünen Wasserstof
- 95 Millionen Euro für die Förderung von OffshoreElektrolyseuren und eine Verdoppelung der Elektrolysekapazität auf 10 GW bis 2030
- 5,5 Milliarden Euro für die energetische Sanierung von Wohnimmobilien und klimafreundliche Neubauten
- über eine Milliarde Euro für die Verbesserung der flächendeckenden Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge
Spanien
Ein großer spanischer Versorgungskonzern hat vor kurzem Investitionen in Höhe von knapp 5 Milliarden US-Dollar angekündigt. Das Geld soll unter anderem in die Ertüchtigung der Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff und die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff fließen. Auch außerhalb des Unternehmensbereichs verfolgt Spanien ein ehrgeiziges Programm, um zum Pionier des Wasserstoffsektors in Europa zu werden.
Die „Renewable Hydrogen Roadmap“ („Fahrplan für erneuerbaren Wasserstoff“)12 des Landes sieht z.B. vor, bis 2040 Elektrolysekapazitäten von 4 GW zu installieren (was der Kapazität von vier großen Kohlekraftwerken entspricht). Gleichzeitig sollen 150 – 200 Brennstoffzellenbusse und 5.000 – 7.500 brennstoffzellenbetriebene leichte und schwere Lkw auf die spanischen Straßen gelangen und 100 – 150 öffentlich zugängliche Wasserstofftankstellen eingerichtet werden.
Europäische Union
Der REPowerEU-Plan13 der EU-Kommission ist als Reaktion auf die Marktverwerfungen anzusehen, die eine Folge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine sind. Die Notwendigkeit zum Umbau des europäischen Energiesystems ergibt sich zum einen aus der Pariser Klimavereinbarung von 2015 und zum anderen daraus, dass die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland beendet werden soll. Der Finanzbedarf beläuft sich auf rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Zur Beschleunigung der Energiewende und einer raschen Verringerung der Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen sieht der REPowerEU-Plan unter anderem Folgendes vor:
- Verdoppelung der Photovoltaik-Kapazitäten bis 2025 und Installation von 600 GW bis 2030
- Ziel, bis 2030 im Inland 10 Millionen Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen zu produzieren und weitere 10 Millionen Tonnen zu importieren, um Erdgas, Kohle und Öl in schwer zu dekarbonisierenden Industrien und im Transportsektor zu ersetzen.
Um Europa aus der Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu befreien, fehlt es nach Schätzung der EU-Kommission in den kommenden fünf Jahren an 210 Milliarden Euro. Die Kommission möchte, dass diese Investitionen vom privaten und öffentlichen Sektor auf nationaler, grenzüberschreitender und EU-Ebene finanziert werden. Wenn die Ziele des REPowerEU-Plans tatsächlich umgesetzt werden, könnten sich daraus Einsparungen von knapp 100 Milliarden Euro pro Jahr ergeben, nicht zuletzt, weil deutlich weniger Brennstoff aus Russland importiert werden muss.
NextGenerationEU
NextGenerationEU: Zentrale Punkte
Quelle: AllianzGI. Alle Beträge in Milliarden Euro, zu aktuellen Preisen, Stand: November 2020.
Vorreiter und Profiteure der Energiewende identifizieren
Auch wenn die Investitionen in nachhaltige Energielösungen in ermutigendem Umfang angestiegen sind, reichen die Mittel bisher nicht aus, um die zahlreichen Herausforderungen der Energiewende zu lösen. Aus Anlegersicht ergeben sich aus dem prognostizierten und dringend erforderlichen Anstieg der Ausgaben für saubere Energien in den nächsten Jahren interessante Möglichkeiten, an den Wachstumschancen von Unternehmen teilzuhaben, die die Energiewende möglich machen oder davon profitieren. Investitionen in Lösungen, die dem sich wandelnden Energieverbrauch entgegenkommen, und in die daraus entstehenden neuen Nachfragedynamiken sind nur zwei Möglichkeiten, wie die Energiewende entlang der gesamten Wertschöpfungskette unterstützt werden kann.
Wir analysieren Unternehmen aus aller Welt, die langfristiges Potenzial bieten. Sie müssen Lösungen für eine sauberere Energieerzeugung, effiziente Energiespeicherung und nachhaltigen Energieverbrauch entlang der Wertschöpfungskette bereitstellen und gleichzeitig einen Beitrag zu den ökologischen und sozialen Zielen der UN-SDGs leisten.
Außerdem identifizieren wir Chancen, die sich aus der Entwicklung innovativer Technologien wie wasserstoffbasierter Energieversorgung, anderen Formen der Energiespeicherung oder innovativer Technologien zur CO2-Reduzierung ergeben, die noch in den Kinderschuhen stecken und deren Vorteile sich erst künftig zeigen werden – nicht zuletzt angesichts dessen, dass die Energiepreise während des Übergangs vorübergehend ansteigen werden.
Verdoppelung der Stromnachfrage
bis 2050
Verschiebung des Energieverbrauchs und beschleunigte Elektrifizierung bis 2050*
Quelle: New Energy Outlook 2019, BNEF Juni 2019; Global Energy Perspective, McKinsey November 2018.
* Anstieg in Prozent bezieht sich auf das beschleunigte Szenario im Vergleich zum Referenzszenario