Nachhaltigkeit erreichen

Warum nachhaltig orientierte Aktienanleger die CO₂-Märkte im Blick haben sollten

Angesichts des aktuellen Fokus auf Klima, Nachhaltigkeit und Energiewende hätte man erwarten können, dass der CO₂-Preis kontinuierlich steigt. Stattdessen sind Emissionszertifikate seit dem Höchststand des CO₂-Preises im Jahr 2022 größtenteils billiger geworden. Hinter dieser Entwicklung stehen mehrere Faktoren. Erstens hat die Energiekrise, die durch den russischen Einmarsch in der Ukraine Anfang 2022 ausgelöst wurde, zu einer unerwarteten und sehr ausgeprägten Abkehr von emissionsintensiveren Energieformen und einer stärkeren Konzentration auf Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz geführt. Zweitens hat die gleichzeitige Wachstumsschwäche die Nachfrage gedämpft, die Verfügbarkeit von Erdgas erhöht und den Bedarf für CO₂-Emissionsrechte reduziert.

Aus der Perspektive der Aktienanlage haben die beobachteten Schwankungen des CO₂-Preises bislang noch keine wesentlichen Auswirkungen auf bestimmte Sektoren. Sie können aber als Modell dienen, um zu ermitteln, in welchen Bereichen ein künftiger Anstieg des CO₂-Preises Auswirkungen auf die Aktienbewertungen haben könnte. So führte der zeitweilig höhere CO₂-Preis zu einem Boom bei Wärmepumpen in Europa, mit einer durch Regierungen und Verbraucher angekurbelten Nachfrage. Inzwischen hat diese wieder deutlich nachgelassen.

Dynamik der CO₂-Märkte

Der traditionelle Ausgangspunkt für eine Betrachtung der Dynamik der CO₂-Märkte ist die Perspektive eines emissionsintensiven Unternehmens.

Was der CO₂-Preis hier widerspiegeln sollte, sind die Kosten der Produktion einer zusätzlichen Produktionseinheit in Form des erforderlichen Emissionsausgleichs. Dieses Verständnis des CO₂-Preises ist derzeit der Standard in vielen Branchen.

Eine weitere Sichtweise orientiert sich an den sozialen Kosten der CO₂-Emissionen, d.h. am CO₂-Preis, der erforderlich ist, um ein bestimmtes Ergebnis in Bezug auf die Eindämmung der globalen Erwärmung zu erzielen. Bei einer Investition in den Ausbau der Saubere-Energie-Infrastruktur zum Beispiel bestünde die langfristige Wirkung in einer Emissionsreduktion. Wir brauchen also eine Art Kosten-Nutzen-Analyse, um zu bewerten, welche Emissionen bei der Entwicklung dieser Infrastruktur entstehen.

Ein dritter Ansatz ist die Betrachtung des CO₂-Preises auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage und ihrer Beeinflussung durch die Politik. Beispielsweise wurden im Jahr 2023 mehr CO₂-Zertifikate ausgegeben, um das REPowerEU-Programm zu finanzieren, mit dem die Europäische Union bis 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland werden will. Trotz einer gewissen politischen Unsicherheit zeichnet sich für die Zukunft jedoch ganz klar eine Angebotsverknappung ab.

Was uns der CO₂-Markt über Anlagechancen an den Aktienmärkten sagt

Wenn wir den CO₂-Markt unter diesen unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten, können wir den CO₂-Preis auf der Grundlage mehrerer Schlüsselfaktoren modellieren. Dazu gehören das Wirtschaftswachstum, die prognostizierte Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, die erwartete Nachfrage der Industrie und das erwartete Angebot an Emissionsgutschriften durch die Regulierungsbehörden. Diese Modelle lassen sich auf unser Anlageuniversum anwenden, um Unternehmen zu identifizieren, die zu den größten Gewinnern oder Verlierern der fortschreitenden Dekarbonisierung und beschleunigten Energiewende gehören könnten.

Gleichzeitig kann uns der CO₂-Markt Hinweise auf Unternehmen geben, die Produkte und Lösungen für strukturell wachsende Bereiche bereitstellen. Ein gutes Beispiel ist die Kälteerzeugung: Durch die globale Erwärmung wird die Nachfrage nach Klimaanlagen und Lösungen zur Lagerung von Lebensmitteln weiter steigen. In der Tat ist die Kälteerzeugung ein vieldiskutiertes Thema, da die Klimasituation zu negativen Rückkopplungseffekten führt: Je wärmer es wird, desto mehr Kälte müssen wir erzeugen – wofür wir häufig energieintensive Klimaanlagen und Kühlgeräte verwenden. Umso wichtiger sind daher Lösungen für eine effizientere Kälteerzeugung, energieeffizientere Gebäude mit einem geringeren Kühlbedarf und ähnliche Ansätze. Das macht die führenden Unternehmen in diesem Bereich auch aus Anlegersicht sehr interessant. Dieser Ansatz lässt sich natürlich auch auf andere Bereiche übertragen, in denen innovative Unternehmen eine voraussichtlich noch auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus strukturell wachsende Nachfrage bedienen.

Eine weitere wichtige Überlegung für Anleger betrifft die Auswirkungen schwankender CO₂-Preise auf ihr Portfolio. Beispielsweise profitieren Energieversorger – insbesondere solche, die keine hohen CO₂-Kosten haben, wie zum Beispiel Anbieter von Wasser-, Wind- oder Solarenergie – in Zeiten hoher CO₂-Preise.

Geopolitische Risiken und CO₂-Preise oder: Was hat Cognac mit CO₂ zu tun?

Schließlich ist der CO₂-Markt, wie bereits erwähnt, ein Markt, der durch Regulierung entstanden und in hohem Maße von ihr abhängig ist. Im Jahr 2027 tritt das CO₂-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der EU in Kraft, das Importe emissionsintensiver Waren in die EU in Höhe der verursachten Emissionen besteuert. Natürlich berücksichtigt die derzeitige Modellierung der CO₂-Preise bereits solche vorhersehbaren politischen Veränderungen. Anleger sollten die möglicherweise unbeabsichtigten Folgen regulatorischer und staatlicher Eingriffe in diesen Markt – und in den Handel im Allgemeinen – dennoch im Blick behalten.

So hat US-Präsident Bidens Ankündigung einer Anhebung der Importzölle auf Elektroautos aus China auf 100 % die Energiewende zu einem Thema des US-chinesischen Handelskonfliktes gemacht. Da China einer der wichtigsten vom CBAM betroffenen Handelspartner der EU sein wird und die EU selbst Einfuhrzölle auf chinesische E-Fahrzeuge erwägt, sind Vergeltungsmaßnahmen nicht auszuschließen. Diese könnten dann auch scheinbar branchenfremde Produkte betreffen, wie zum Beispiel die großen Mengen an Luxusgütern, die China aus Frankreich und Deutschland importiert – von edlem Cognac bis hin zu Sportwagen.

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