Zins- und Zeitenwende meistern
US-Wahl: Ergebnis-Update
Donald Trump steht kurz davor, ins Weiße Haus zurückzukehren. Wir erwarten, dass viele seiner populistischen Maßnahmen Wellen schlagen werden, auch wenn dieses Ergebnis von den Finanzmärkten erwartet worden war. Wie könnten Anleger darauf reagieren?
WICHTIGE ERKENNTNISSE
- Donald Trumps Fokus auf niedrigere Unternehmenssteuern und weitere Deregulierung dürfte US-Unternehmen begünstigen, insbesondere kleinere Unternehmen mit attraktiven Aktienmarktbewertungen. In gewissem Maße könnten Technologieunternehmen von ihrer Loyalität zu Donald Trump profitieren. Während die Republikaner wahrscheinlich den Senat gewonnen haben, würde eine vollständige Kontrolle des Kongresses („roter Durchmarsch“) es ihm ermöglichen, Steuersenkungen und höhere Ausgaben durchzusetzen – was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Kreditmärkte durch nicht gegenfinanzierte fiskalische Großzügigkeit verunsichert werden.
- Wir glauben, dass ein Sieg von Donald Trump unter geopolitischen Aspekten riskanter sein könnte als ein Sieg von Kamala Harris, da seine Strategie einen unvorhersehbaren Umgang sowohl mit seinen Verbündeten als auch mit seinen Widersachern beinhaltet. Es ist mit höheren Handelszöllen gegenüber China und möglicherweise einigen europäischen Nationen zu rechnen.
- Die wahrscheinlich harte Haltung von Donald Trump in einer Reihe von Fragen, die vom Handel bis zur Einwanderung reichen, könnte möglicherweise den US-Dollar und den Goldpreis in die Höhe treiben. Die Auswirkungen auf die Anleihenmärkte sind schwieriger vorherzusagen, und wir rechnen mit einer gewissen Volatilität bei Aktien, bis die Ergebnisse feststehen. Wenn ein Sieg von Donald Trump schnell bestätigt wird, können wir davon ausgehen, dass die Volatilität nachlässt, da die Unsicherheit schwindet.
Nach dem Vorliegen der bisherigen Ergebnisse sieht es so aus, als habe Donald Trump das Rennen um die US-Präsidentschaft 2024 gewonnen. Dies folgt auf einen heftig umkämpften Wahlkampf, in dem die Kandidaten die meiste Zeit über Kopf an Kopf lagen. Die Ergebnisse der wichtigen Kongresswahlen könnten länger auf sich warten lassen, wobei die ersten Anzeichen für einen umfassenden Sieg der Republikaner sprechen. In der Vergangenheit haben sich Märkte in der Regel am besten entwickelt, wenn es eine sogenannte „geteilte Regierung“ gab, bei der keine Partei den Präsidenten stellt und beide Kammern des Kongresses – das Repräsentantenhaus und den Senat – kontrolliert.
Obwohl wir bis zur Bekanntgabe des Endergebnisses mit einer gewissen Volatilität rechnen, deutet der Vorsprung von Donald Trump darauf hin, dass sich an den Finanzmärkten eine risikofreudige Stimmung durchsetzen könnte. Wir erwarten in der Zwischenzeit auch eine gewisse „Flucht in die Sicherheit“. Bevorzugt werden dürften dabei als sicher geltende Anlagen wie der US-Dollar (aufgrund der Erwartung einer stärkeren Wirtschaft und fiskalpolitischer Unterstützung, die zu mehr Inflation führen). Auch Gold dürfte als Absicherung gegen geopolitische Risiken gesucht bleiben. Die Reaktion der Anleihenmärkte ist angesichts des starken Renditeanstiegs seit Mitte September schwieriger vorherzusagen. Im Falle eines „roten Durchmarschs“ rechnen wir mit einer weiteren Konsolidierung. Was Aktien betrifft, schätzen wir kleinere Unternehmen als attraktiv bewertet ein. Für den Fall verstärkter Kursschwankungen halten wir in unseren Portfolios vorerst einige offene Optionspositionen.
Angesichts der nach wie vor robusten US-Wirtschaft könnten Anleger jeden Rückschlag an den Märkten als taktische Gelegenheit zur Diversifizierung oder zur Erhöhung des Risikos nutzen, zumal sich die Märkte nach Wahlen in der Regel gut entwickeln und die Monate zum Jahresende in der Regel günstig verlaufen.
Was das Ergebnis bedeuten könnte
In unserer Analyse der Pläne von Donald Trump konzentrieren wir uns auf die zentralen Politikbereiche:
Fiskalpolitische Vorhaben: Verlängerung der Steuersenkungen?
- Donald Trump verspricht großzügige Mehrausgaben, umfangreiche Steuersenkungen und Deregulierung. Seine Vorschläge könnten das kurzfristige Wachstum sowie die Gewinne der US-Unternehmen ankurbeln, vor allem die von kleineren Firmen sowie im Energie- und Finanzsektor. Nach Angaben des Committee for a Responsible Federal Budget könnten diese Pläne die US-Staatsverschuldung bis 2035 um 7,5 Billionen US-Dollar erhöhen. Dies würde zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Staatsverschuldung der USA bereits mehr als 120 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt.
- Wir sehen das Potenzial, dass die Kreditmärkte bei nicht gegenfinanzierten Haushaltsplänen in Unruhe geraten könnten, wenn die Republikaner auch die Kontrolle über den Kongress erlangen. Wir glauben jedoch, dass der Status des Dollars als Finanzierungs- und Handelswährung den USA einen gewissen Schutz vor negativen Marktreaktionen auf fiskalische Anreize bietet.
- Eine sehr großzügige Fiskalpolitik - zusammen mit höheren Zöllen, einer strikteren Einwanderungspolitik und einer Lockerung von Vorschriften - wirkt sich tendenziell inflationär aus. Als Reaktion darauf könnte die US-Notenbank ihre Geldpolitik weniger deutlich lockern, was den Dollar stützen könnte.
Zölle und Handelspolitik: Verhandlungstaktik oder Realität?
- Donald Trump hat angekündigt, eine pauschale Abgabe von 20 % auf alle Importe in die USA zu erheben sowie eine Steuer von 60 bis 100 % auf chinesische Produkte. Sollten die Zölle tatsächlich erhöht werden, könnten sie Gegenmaßnahmen anderer Volkswirtschaften auslösen und zu einem Handelskonflikt führen, der die USA im schlimmsten Fall in eine Rezession stürzen könnte.
- Wir rechnen mit weiterem regionalem Near- und Onshoring, da die Unternehmen ihre Produktionsstandorte und Lieferketten diversifizieren. Dieser Schritt könnte sich negativ auf ihre Bilanzen auswirken.
- Höhere Zölle könnten Aktien aus Europa und den Schwellenländern belasten. Dies gilt insbesondere für solche, die stark vom US-Markt abhängig sind, z. B. Hersteller von Luxusgütern, Autos, Luftfahrzeugen und Stahl. Dagegen könnten Value-Titel aus den Bereichen Öl, Finanzen und möglicherweise Infrastruktur in einem solchen Szenario profitieren. Um die potenziell großen Unterschiede in der Performance zwischen Gewinnern und Verlierern innerhalb von Sektoren und Themen sowie zwischen Regionen erfolgreich zu navigieren, ist unseres Erachtens ein aktives Anlagemanagement erforderlich.
Geopolitik: Die Rückkehr des „Dealmakers"
- Das geopolitische Umfeld wird sich unter Donald Trump wahrscheinlich deutlich verändern. Wir rechnen mit einer aggressiveren Haltung gegenüber China und halten eine militärische Konfrontation mit dem Iran sowie eine Eskalation des Nahostkonflikts für wahrscheinlicher.
- Im Gegensatz dazu könnte der Ukraine-Krieg schneller beendet werden, wenn Trump auf eine Einigung mit dem russischen Präsidenten Putin drängt. Ein Ende dieses Konflikts könnte niedrigere Rohstoffpreise zur Folge haben, wenn Russland wieder offiziell an den Markt zurückkehrt. Europa müsste seine Militärausgaben aufstocken, was zu noch höherer Verschuldung und einer weniger produktiven Verwendung von Steuereinnahmen führen würde.
- Wir erwarten außerdem vermehrte Spannungen mit einigen europäischen Ländern, wobei mögliche Steuererhöhungen auf Importe das Wirtschaftswachstum in Europa belasten könnten.
Geldpolitik: Bleibt die Zentralbank unabhängig?
- Wir halten verstärkte Sorgen an den Finanzmärkten für möglich, falls Donald Trump die Unabhängigkeit der US-Notenbank (Fed) zu untergraben versucht, und sei es nur in Form von Kommentaren. Jeder fortgesetzte Angriff auf die Fed könnte den Trend zur Schwächung der internationalen Vormachtstellung des Dollars stärken. Die Risikoprämie für US-Anlagen könnte sich auch erhöhen, wenn der Absatz international angebotener neuer US-Staatsanleihen unter Druck gerät.
- Davon profitieren könnten als sichere Häfen geltende Anlagen wie Gold sowie Währungen mit traditionell defensiver Charakteristik - darunter der Schweizer Franken und der japanische Yen.
- Am Markt für US-Staatsanleihen wären Auswirkungen eher bei den kurzfristigen als bei den langfristigen Zinsen zu erwarten. Eine geringere Differenz zwischen den Renditen in den USA und in anderen Ländern der Welt könnte den Dollarkurs belasten. Dagegen könnten die Notierungen von Aktien und Rohstoffen von der Aussicht auf geldpolitische Anreize profitieren.
Klimapolitik: Verwässerung der Ziele?
- Jede Schwächung des US-Engagements zur Eindämmung des Klimawandels unter einer Trump-Präsidentschaft könnte Chinas Bestreben fördern, eine weltweit führende Rolle in klimabezogenen Technologien einzunehmen. An den Aktienmärkten wird auch eine Verwässerung von Präsident Bidens zentralem Inflation Reduction Act erwartet, das umfangreiche Investitionen in saubere Energiequellen vorsah.
- Da viele republikanisch dominierte US-Bundesstaaten ebenfalls von diesen Ausgaben profitieren, rechnen wir nur mit moderaten Auswirkungen. Eine Aufhebung des Gesetzes wäre nur im Falle eines umfassenden Siegs der Republikanischen Partei wahrscheinlich. Eine Rückgängigmachung des Gesetzes könnte dem Bereich Erneuerbare Energien schaden – dies gilt auch für internationale Unternehmen, die in diesem Bereich am US-Markt tätig sind.
Fokus auf Marktchancen bei wahlbezogenen Schwankungen
Die Aussicht auf eine rasche Bekanntgabe des Wahlausgangs dürfte den Aktienmärkten weiteren Auftrieb geben. Diese haben bereits in den letzten Monaten von der Eindämmung der Inflation und der zunehmenden Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung der US-Wirtschaft profitiert. Der S&P 500 Index steigt in der Regel an, wenn die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der US-Wahl vorüber sind und keine Rezession eintritt - und wir erwarten auch dieses Mal einen ähnlichen Trend.
Im derzeitigen Umfeld sehen wir mehrere Möglichkeiten, die es zu berücksichtigen gilt:
- Wir sehen Spielraum für einen breiter angelegten, über die sieben Technologieriesen hinausgehenden Kursauftrieb am US-Aktienmarkt, wenn der US-Wirtschaft eine weiche Landung gelingt. Die Konzentration der Positionen am US-Aktienmarkt ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und ein gleichgewichteter Anlageansatz - bei dem jeder Aktie in einem Portfolio unabhängig von ihrer Marktkapitalisierung denselben Anteil hat - kann Diversifizierung und Gewinne ermöglichen, wenn positive Erträge eine Konvergenz der Bewertungen nach sich ziehen. Eine von „Laissez-faire“ geprägte Präsidentschaft Trumps könnte Fusionen und Übernahmen ankurbeln, was Technologieaktien mit geringerer Marktkapitalisierung zugutekommen sollte.
- Nachdem der Goldpreis im vergangenen Jahr neue Höhen erklommen hat, könnte er unseres Erachtens noch weiter steigen. Unterstützt wird dies durch umfangreiche Käufe seitens Privatanlegern und der Zentralbanken der Schwellenländer in einem Umfeld erhöhter geopolitischer Risiken, insbesondere im Fall der steigenden Gefahr eines Handelskonflikts bei Verschärfung der Zölle.
- Im Vergleich zu den Vormonaten sind wir bezüglich Anleihen vorsichtiger geworden, da wir davon ausgehen, dass das US-Wachstum durch vermehrte Staatsausgaben gestützt wird. Größere Haushaltsdefizite bergen Aufwärtsrisiken für die Laufzeitprämien bei längerfristigen Anleihen und begünstigen eine steiler werdende US-Renditekurve („bear steepening“). Das steigende Risiko höherer Zölle hingegen könnte dazu führen, dass der Markt eine weniger lockere geldpolitische Haltung der Fed einpreist. Der US-Dollar würde in diesem Szenario wahrscheinlich ebenfalls stärker werden. Die Volatilität am Anleihenmarkt könnte in naher Zukunft durchaus erhöht bleiben, da der Markt die Zusammensetzung des neuen Kongresses berücksichtigt. Daher halten wir einen taktischen Handel im Hinblick auf die Duration für sinnvoll.
- Außerhalb der USA sehen wir Potenzial in Großbritannien, wo das Wahlrisiko vorüber ist, und wir bevorzugen britische Staatsanleihen aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Duration. Außerdem sind wir zuversichtlicher für Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern geworden.
- Sollte die Unabhängigkeit der Fed unter einer Trump-Präsidentschaft in einer Weise untergraben werden, welche die Anleger beunruhigt, könnten sie andere als sicher angesehene Währungen wie den japanischen Yen und den Schweizer Franken dem US-Dollar vorziehen.
Einige Anleger verhalten sich während der Wahlen abwartend. Jetzt, da die Ergebnisse bekannt sind, werden sich die Marktteilnehmer jedoch wahrscheinlich wieder auf die Wirtschaft und die Zinsentwicklung konzentrieren. Das bedeutet, dass es für die meisten Anleger wichtig ist, Phasen erhöhter Volatilität zu überstehen sowie investiert und diversifiziert zu bleiben. Wo es angebracht erscheint, kann eine Re-Balancierung vorgenommen werden.