Update Magazine II/2022
Nachhaltige Anleihen, gute Anleihen
Das Großthema „Sustainable Finance“ fordert ein umfassendes Umdenken: Unternehmer müssen Nachhaltigkeitsinformationen liefern, institutionelle Anleger Angaben zu Nachhaltigkeitsfaktoren. Nachhaltige Anleihen spielen dabei eine zunehmend wichtige Rolle. Und diese Entwicklung steht erst am Anfang. Dafür sorgt auch der Gesetzgeber.
Die Zeichen der Zeit? Stehen auf Grün, auf Nachhaltigkeit – auch bei der Geldanlage. Das gilt zunehmend auch bei Anleihen. Gut für die Umwelt und gut für die Investoren. Doch von Anfang an.
In der Gesellschaft gewinnt das Thema angesichts der zunehmenden Wetterkapriolen, der weltweit sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels auf Natur, Umwelt und Alltag, immer mehr an Bedeutung. Auch politisch ist vieles in Bewegung geraten, was den Kurs in Richtung mehr Nachhaltigkeit festzurrt. Das Pariser Klimaabkommen etwa will den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen. Oder die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN Sustainable Development Goals), die unter anderem den Umbau der Wirtschaft hin zu klimafreundlicherem, umweltverträglicherem und sozialerem Agieren als eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung adressiert
In Europa wurde zur Erfüllung dieser Vereinbarung der EU Green Deal im Dezember 2019 gestartet. Dessen Ziel: Bis zum Jahr 2050 soll Europa CO2 -neutral sein. Dafür soll unter anderem die Energieerzeugung und -versorgung klimaverträglicher werden. Mit anderen Worten: Die Energiewende soll kommen, und mit ihr der Auf- und Ausbau der Kapazitäten für erneuerbare Energien, der Stopp der Kohleverstromung, die Dekarbonisierung des Gases („Grüne Gase“), die Verbesserung der Energieeffizienz. Dazu kommt eine Reihe von Initiativen, die das Thema weiter konkretisieren, präzisieren und damit vorantreiben.
Wer, was, wofür?
PRI ist eine der wichtigsten globalen Initiativen zur Förderung verantwortungsbewusster Investitionen mit mehr als 3 800 Unterzeichnern, die Ende Dezember 2021 ein Vermögen von rund 120 Billionen US-Dollar repräsentierten. Ziele sind ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Investitionsaktivitäten auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsthemen sowie die Unterstützung der Unterzeichner bei der Integration dieser Fragestellung in ihre Investitionsentscheidungen.
TCFD steht für „Task Force on Climate-related Financial Disclosure.” Die Initiative wurde im Dezember 2015 vom internationalen Gremium Financial Stability Board zur Förderung der internationalen Finanzstabilität gegründet, um einheitliche Standards für die Offenlegung klimabezogener finanzieller Risiken durch Unternehmen, Banken und Investoren gegenüber ihren Stakeholdern zu entwickeln.
Die Mitglieder der Net-Zero Asset Owner Alliance, die im Jahr 2019 von den Vereinten Nationen geschaffen wurde, streben ein klimafreundliches Investieren an und verpflichten sich, ihre Kapitalanlageportfolios bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu stellen. Dieser Initiative gehören inzwischen 74 institutionelle Investoren an, darunter Banken, Versicherungen und Pensionsfonds. Zusammen verwalten sie ein Vermögen von 10,6 Billionen US-Dollar.
Die Net Zero Asset Managers Initiative, die im Dezember 2020 gegründet wurde, ist eine internationale Gruppe von Vermögensverwaltern, die das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 oder früher aktiv unterstützt, um einen Beitrag zum Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu leisten. Die Mitglieder haben sich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen (THG) ihrer Anlageportfolios bis spätestens 2050 auf Netto-Null zu reduzieren
In der Summe ist die Stoßrichtung daher klar: Nachhaltigkeitsfaktoren sollen in den Entscheidungsprozessen von Investition und Finanzierung berücksichtigt werden (Sustainable Finance – nachhaltige Finanzen). Dabei gilt es, die Kapitalströme in nachhaltiges Wachstum umzulenken und die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Klimawandel, Umweltzerstörung und sozialen Problemen zu steuern.
Wachstum des Regelwerks …
Aber auch die Regulatorik macht Druck in diese Richtung. Im Rahmen etwa der EU-Verordnung MiFiD II (Markets in Financial Instruments Directive II) müssen Vermögensverwalter und Anlageberater seit August 2022 ihre Kunden zu ihrer Nachhaltigkeitspräferenz befragen. Möchte der Kunde soziale und ökologische Auswirkungen in seiner Anlage berücksichtigen, dann muss bestimmt werden, in welchem Umfang dies in den potenziell genutzten Finanzinstrumenten integriert sein soll. Dabei gibt es drei Bereiche, für die der Kunde seine Präferenz festlegen kann: Taxonomiekonforme (Taxonomyaligned) Produkte bieten einen Mindestanteil an Investitionen in ökologisch nachhaltige Anlagen. „Nachhaltige Anlagen – Sustainable Investments“ wiederum locken (gemäß der Definition der SFDR) mit einem Mindestanteil an Investitionen in nachhaltige Anlagen. Und im Bereich PAI, das Kürzel steht für "Principal Adverse Impact", geht es vor allem um die wichtigsten negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Die Nachhaltigkeitspräferenz kann einzelne Aspekte umfassen, aber auch eine Kombination aller Aspekte. Den jeweiligen Mindestanteil nach Taxonomy-aligned und Sustainable Investment legt der Kunde selbst fest.
Als wäre das nicht schon komplex genug, gibt es weitere wichtige Neuregelungen im Rahmen der nachhaltigen Finanzen. Dazu zählen EU-Taxonomie, CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation). Die EU-Taxonomie schafft ein gemeinschaftliches Klassifizierungssystem für den EU-Wirtschaftsraum, um festzulegen, welche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig angesehen werden. Die CSRD verpflichtet Unternehmen aus der Wirtschaft, Nachhaltigkeitsinformationen über ihre Geschäftsaktivitäten zu veröffentlichen. Zum Beispiel müssen Treibhausgasemissionen im Lagebericht offengelegt werden. SFDR wiederum betrifft Finanzmarktteilnehmer wie etwa Versicherungen oder Fondsgesellschaften. Die Regelung gibt vor, dass Produktanbieter ihren Kunden offenlegen müssen, inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Investmentprozess für die Finanzprodukte einbeziehen und wie die wesentlichen nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen berücksichtigt werden.
A/ NACHHALTIGE ANLEIHEN NACHHALTIG GEFRAGT
Quelle: Institute for Energy Economics and Financial Analysis, „Enhancing the Credibility …“, Stand: August 2022.
Nachhaltige Anleihen: eine Idee, zwei Ansätze
Use-of-Proceeds
Grüne und soziale Anleihen: Die Erlöse werden ausschließlich zur Finanzierung von förderungswürdigen grünen beziehungsweise sozialen Projekten genutzt. Klimawandel, Erhalt natürlicher Ressourcen oder Förderung von bezahlbarem Wohnraum und aktive Förderung der Gleichberechtigung sind Beispiele dieser Projekte.
Die International Capital Market Association (ICMA), ein internationaler Branchenverband für Kapitalmarktteilnehmer, hat ein globales und freiwilliges Rahmenwerk für nachhaltige Anleihen entwickelt, das umfassende Richtlinien für die Projektauswahl, Erlösverwendung und Berichterstattung festlegt. Einer der größten Emittenten von Use-of-Proceeds-Anleihen ist die Europäische Union mit dem SURE-Programm (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency – Maßnahmen zur Abfederung und Reduzierung der pandemiebedingten Arbeitslosigkeit). Europäische Staaten wie Frankreich und Deutschland sind große Emittenten für grüne Anleihen.
Nachhaltigkeitsgebundene Anleihen
Emittenten, die firmenweite Nachhaltigkeitsziele umsetzen wollen, können auch Sustainability-Linked Bonds (SLBs) nutzen. Bei SLBs verpflichten sich die Emittenten, bestimmte Leistungsindikatoren (KPIs), die einen Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften leisten, zu erreichen. Ein Beispiel wäre die Reduzierung der CO2 -Emissionen um eine konkrete Zahl bis zu einem genannten Zeitpunkt. Werden die Ziele nicht erreicht, werden zusätzliche Zahlungen an den Anleger fällig – meist ein höherer Kupon. Auch für nachhaltigkeitsgebundene Anleihen hat die ICMA Prinzipien erstellt: Der Emittent verpflichtet sich, vordefinierte Nachhaltigkeits- und ESG-Ziele innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu erreichen.
Als Untergruppe von nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen können Papiere von Unternehmen definiert werden, die sich verpflichtet haben, im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen vorab definierte Dekarbonisierungsraten zu erreichen. Diese Unternehmen können beispielsweise durch Teilnahme an der Science Based Targets initiative (SBTi) identifiziert werden. Mit Stand vom Juli 2022 haben mehr als 1 600 Unternehmen eine überprüfbare Verpflichtung zu einer signifikanten CO2 -Reduktion abgegeben – und über 1200 Unternehmen streben Klimaneutralität an
Wachstum des Markts …
Mit anderen Worten: Das Thema Nachhaltigkeit ist ein stetig wichtigerer Aspekt bei Kapitalanlagen. Anleger verbinden immer häufiger ihre finanziellen und ökonomischen Anforderungen mit nachhaltigen Zielen. Das gilt stetig zunehmend auch für Anleihen. Aus gutem Grund.
Diese Papiere bieten dem Investor eine Möglichkeit, einen positiven Beitrag für die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu generieren. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwei Kategorien von Anleihen: Eine Gruppe sind die Use-of-Proceeds-Anleihen, bei denen die Anleihe-Erlöse für Projekte mit positiven, messbaren, nachhaltigen Auswirkungen verwendet werden, wie zum Beispiel die Reduktion von Treibhausgasen oder für den Ausbau von Kapazitäten bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Nachhaltigkeitsgebundene Anleihen sind die zweite Gruppe. Bei ihnen verpflichtet sich der Emittent, seine Wertschöpfungskette signifikant klimafreundlicher zu gestalten und das durch bestimmte Leistungskriterien mit Bezug auf seine Nachhaltigkeitsziele auch transparent zu machen.
Anleger verbinden immer häufiger ihre finanziellen und ökonomischen Anforderungen mit nachhaltigen Zielen.
Nachdem die Europäische Investitionsbank (EIB) die erste nachhaltige Anleihe im Jahr 2007 emittiert hatte, dauerte es über ein Jahrzehnt, bevor das Interesse der Investoren an diesem Anleihesegment Wurzeln schlug. Doch das hat sich zuletzt verändert: Betrug das weltweite Neuemissionsvolumen für nachhaltige Anleihen im Jahr 2018 noch gut 200 Milliarden US-Dollar, lag diese Zahl im Jahr 2019 bereits bei über 350 Milliarden US-Dollar. In den vergangenen Jahren hat sich das Emissionstempo nachhaltiger Anleihen weiter beschleunigt, und im Jahr 2021 wurden weltweit Anleihen im Nennwert von über 1,1 Billionen US-Dollar ausgegeben.1
Bei Euro-denominierten Anleihen lag der Anteil nachhaltiger Bonds am Neuemissionsvolumen im Jahr 2021 bei über 15 Prozent. Entsprechend kletterte ihr Gewicht im Euro-Aggregate-Universum auf 7 Prozent. Noch vor wenigen Jahren, im Jahr 2018, lag der Anteil nachhaltiger Anleihen bei rund einem Prozent. Mehr noch: Inzwischen hat sogar jeder vierte Emittent aus dem Euroraum eine nachhaltige Anleihe auf den Markt gebracht. Tendenz: steigend. Bei ähnlicher Dynamik wie in den vergangenen zwei Jahren ist ein weiterer Anstieg des Anteils nachhaltiger Anleihen am Gesamtmarkt auf über 10 Prozent in nur wenigen Jahren zu erwarten.
Das bedeutet: Das Marktsegment der nachhaltigen Anleihen ist inzwischen seiner Nische entwachsen und hat sich zu einem breiten und diversifizierten Anleihesegment entwickelt. Das zeigt schon der Blick auf die Emittenten: Standen in früheren Jahren vor allem staatsnahe und supranationale Herausgeber hinter solchen Papieren, kommt der Wachstumsschub der vergangenen Jahre von Unternehmen und Finanzinstituten. In Zahlen: Mit Stand vom Juli 2022 bestand das Euro-denominierte Universum aus fast 1 000 Emissionen von über 350 Emittenten. Auch beim Rating zeigt sich: Nachhaltigkeit ist längst erwachsen geworden. Denn die Verteilung der Ratings ist vergleichbar mit dem Euro-Aggregate-Universum und weist entsprechend das gleiche Durchschnittsrating von Aa3/AA- auf.
Allerdings hat das nachhaltige Marktsegment eine höhere Duration (gut 1 Jahr) als das Euro-Aggregate-Universum. Eine Folge des rasanten Wachstums des Segments – die längere Laufzeit neuer Emissionen – erhöhte die Duration des Segmentes aufgrund ihres hohen Volumens im Vergleich zum Gesamtmarkt. Diese Eigenschaft, eine längere Restlaufzeit im Nullzinsumfeld, war häufig eine Bremse für die stärkere Integration der nachhaltigen Anleihen in die Portfoliokonstruktion. Die nun erfolgte Zinswende könnte dafür sorgen, dass dieses Charakteristikum kein Störfaktor mehr ist, sondern vielleicht sogar zum Pluspunkt nachhaltiger Anleihen wird.
Im Jahr 2021 wurden weltweit nachhaltige Anleihen im Nennwert von über 1,1 Billionen US-Dollar ausgegeben.
Nachhaltiger Punch der Bonds
Dazu kommen die nackten Zahlen, die sich gerade im Vergleich von Use-of-Proceeds- und traditionellen Anleihen zeigen. Der Unterschied zwischen beiden liegt allein in der Mittelverwendung – Emittent und Risiko sind identisch. In der Vergangenheit zeigten sich gewisse Differenzen in den Kursen; besonders deutlich war dies bei grünen Bundesanleihen. Diese Papiere wurden als sogenannte Zwillingsanleihen ausgegeben. Das bedeutet, dass es zu jeder grünen Bundesanleihe ein Pendant gibt – mit gleicher Fälligkeit, gleichem Kupon und gleichem Emissionskurs. Es zeigte sich, dass die grünen Versionen der inzwischen drei Zwillingsanleihen in der Vergangenheit immer eine etwas geringere Rendite aufwiesen. Der Befund traf auch auf andere Emittenten zu. Allerdings gehen diese „Greenium“ genannten Renditeabschläge in letzter Zeit zurück. Für die Zukunft gehen wir davon aus, dass sich diese Kursunterschiede mit zunehmender Größe des Segments nachhaltiger Anleihen gänzlich zurückbilden werden.
Ansonsten gilt: Nachhaltige Anleihen weisen eine vergleichbare Wertentwicklung wie herkömmliche Bonds auf. Nachhaltigkeit kostet also keine Performance. Ganz im Gegenteil: Zahlreiche Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass nachhaltige Anleihen die risikobereinigte Rendite verbessern können. Unternehmen mit einer besseren ESG-Bilanz schneiden langfristig oft besser ab als ESG-Nachzügler. Anlagestrategien, die eine kohlenstoffarme Zukunft durch Investments in Lösungsanbieter unterstützen, können damit attraktive Renditechancen bieten. Das bedeutet für Investoren, dass die Integration nachhaltiger Anlagen in die Anlagestrategie die Widerstandskraft eines Portfolios erhöhen kann und im Vergleich zu konventionellen Anlagestrategien langfristig in der Regel einen Abwärtsschutz bietet.
Wie geht es weiter? Auf jeden Fall nachhaltig! Entsprechende Anleihen werden weiter an Bedeutung gewinnen und steigende Zinsen für positive Nominalrenditen sorgen. Abseits der reinen Zahlen unterstützen nachhaltige Anleihen Investoren bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele. Damit dürfte künftig neben Ertrag und Risiko auch die Auswirkung, der Impact, ein weiterer bestimmender Portfoliofaktor werden. Die Antwort auf die Frage, welchen positiven Beitrag Geldanlagen für Umwelt und Gesellschaft generieren können, wird immer mehr im Mittelpunkt stehen. Gefragt sind daher zum einen Produktanbieter in der Entwicklung neuer Anlagekonzepte, aber auch die Eigenschaften von Anlageinstrumenten werden weiter in den Fokus rücken. Dabei haben nachhaltige Anleihen einen entscheidenden Vorteil: Sie können bereits heute klar messbar aufzeigen, wie sie positiv zur Erreichung ökologischer und sozialer Ziele beitragen. Die Zeichen der Zeit? Dazu gehören auch nachhaltige Anleihen.
1 Climate Bond Initiative, „Sustainable Debt Market …“, August 2022