Das Jahr des Hasen: Bringt es den Anlegern mehr Glück?

Im vergangenen Jahr hatte der chinesische Aktienmarkt einige Hürden zu bewältigen; zu nennen sind insbesondere die Covid-Lockdowns und die Probleme im Immobiliensektor. Daher hoffen die Anleger auf mehr Glück im neuen Jahr des Hasen: die makroökonomischen Turbulenzen sollten abklingen, das Unternehmensvertrauen könnte wieder zunehmen, und wichtige Sektoren dürften weiterhin von den Bestrebungen der Regierung im Sinne einer größeren Autarkie profitieren.

Zentrale Punkte
  • Zum Beginn des neuen Jahres des Hasen hoffen die Anleger in China, dass die Anzeichen für eine Markterholung Ende 2022 darauf hindeuten, dass sich die Lage nach einem schwierigen Jahr bessert.
  • Die Aktienbewertungen erscheinen angemessen, und die Unternehmensgewinne könnten sich erholen. Gleichzeitig sind bei zwei belastenden Themen für die Marktstimmung im vergangenen Jahr Fortschritte zu verzeichnen: der Null-Covid-Politik der Regierung und den Problemen im Immobiliensektor.
  • Zugleich spricht noch immer einiges für langfristige Investitionen in China. Aus den Autarkiebestrebungen dürften sich Chancen in den Bereichen innovative Technologie und Klimaschutz ergeben.

Am 22. Januar beginnt in China ein neues Jahr: das Jahr des Wasser-Hasen. Das Tierkreiszeichen steht für ein langes Leben, Frieden, Wohlstand und Glück. Das scheidende Jahr kann dagegen wohl kaum als glücklich bezeichnet werden. Der MSCI China-Index liegt insgesamt um 14,7% im Minus, was vor allem auf die Null-Covid-Politik des Landes und die anhaltenden Probleme im Immobiliensektor zurückzuführen ist.

Zu den wichtigsten Ereignissen im Jahr 2022 gehört die Wiederwahl von Präsident Xi Jinping für eine dritte Amtszeit beim 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei im Oktober. Diese historische Entscheidung spricht dafür, dass die bisherige Politik im Großen und Ganzen fortgesetzt wird.

Aus Anlegersicht ist besonders interessant, dass Präsident Xi China in immer mehr Industriebereichen autarker und damit unabhängiger von globalen Lieferketten machen möchte. Daraus können sich Anlagechancen ergeben. Derweil scheinen die politischen Spannungen zwischen den USA und China vorerst etwas abgeklungen zu sein; Präsident Xi und Präsident Biden trafen beim G20-Gipfel zusammen, was auf eine Verbesserung der Beziehungen hindeutet.

2022 war aus Anlegersicht nicht rundweg ein schlechtes Jahr; Anzeichen für eine Markterholung zum Jahresende ließen Hoffnungen auf eine günstigere Entwicklung im Jahr 2023 aufkommen – vielleicht bringt der Hase ja wirklich Glück. Unseres Erachtens sind die Voraussetzungen für ein erfolgreicheres Jahr durchaus gegeben.

Die Bewertungen am chinesischen Aktienmarkt erscheinen angemessen, und die Unternehmensgewinne könnten sich erholen. Insbesondere wurden jedoch inzwischen bei den beiden größten Problemfeldern des vergangenen Jahres Fortschritte erzielt: Covid-19 und der Immobilienmarkt. Auf beide Themen gehen wir im Folgenden noch genauer ein. Längerfristig könnten einige säkulare Themenkreise China zu einem attraktiven Investitionsziel machen.

Gründe für größeren Optimismus für 2023: Kehrtwende in der Coronapolitik...

Chinas Null-Covid-Politik wurde noch beim Parteikongress im Oktober verteidigt; nicht einmal einen Monat später war sie faktisch abgeschafft. Nach weitreichenden Protesten – eine Seltenheit in China – beschloss die Regierung, dass sie künftig nicht mehr versuchen wolle, lokale Covid-Ausbrüche durch strikte Lockdowns einzudämmen.

Da die Impfquote in China niedrig ist, hatte diese Kehrtwende schwerwiegende Folgen: Die Zahl der Coronainfektionen schnellte in die Höhe; allein in den ersten 20 Dezembertagen könnten sich geschätzt rund 250 Millionen Menschen angesteckt haben. An den Märkten kam es dagegen aufgrund des Kurswechsels und der Hoffnung auf eine Öffnung der Wirtschaft zu beträchtlichen Kurssprüngen. Zunächst waren die Verbraucher noch vorsichtig und blieben eher daheim als einkaufen oder ins Restaurant zu gehen. Aber nach der Lockerung der Einschränkungen könnte sich ein dreijähriger Nachfragestau Bahn brechen, da die Menschen in den Lockdowns Geld gespart haben.

Einiges spricht dafür, dass rund um das Neujahrsfest ein Reiseboom stattfindet, was auf eine Belebung des Konsums hindeutet. Dementsprechend haben Aktien aus den Sektoren Reisen, Einzelhandel und Freizeit in den vergangenen Wochen besonders gut abgeschnitten.

... und staatliche Unterstützung für wenig liquide Bauträger

Ein stabilerer Immobiliensektor könnte Vertrauen und Konsum im Jahr 2023 ebenfalls beflügeln. Ermutigenderweise erhalten Bauträger inzwischen direkte staatliche Unterstützung. So wird sichergestellt, dass vorab verkaufte Wohnungen auch tatsächlich fertig gebaut werden. Außerdem hat die Regierung neue Vorschriften erlassen, um den Finanzierungsdruck für die Bauträger zu verringern. Dazu gehören eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen, Maßnahmen für eine zusätzliche Kreditvergabe der Banken, eine erneute Finanzierung über den Aktienmarkt und eine Ausweitung der staatlichen Garantien für Anleihen.

Angesichts der alternden Bevölkerung und der sinkenden Geburtenrate in China dürfte im Immobiliensektor unseres Erachtens langsam ein struktureller Abschwung einsetzen. Kurzfristig sollten die Maßnahmen zur Verringerung der finanziellen Engpässe im Sektor jedoch wieder Vertrauen schaffen und eine makroökonomische Erholung ermöglichen.

Der Kurswechsel in der Politik sollte für eine Wachstumsbelebung sorgen und könnte vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2023 auch auf die Unternehmensgewinne durchschlagen.

Argumente für eine langfristige Investition: Chinas Streben nach Autarkie

Kurzfristig sind die Aussichten für China günstiger geworden. Zugleich sei auch noch einmal auf die strategischen Chancen hingewiesen, die das Land aktiven Anlegern mit langfristigem Horizont bieten kann.

In der jüngsten Phase seiner Transformation hat sich China darauf konzentriert, seinen wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern und sich gleichzeitig aus globalen geopolitischen Spannungen herauszuhalten1 . Vor diesem Hintergrund strebt das Land nach mehr Autarkie, die es sich durch einen Ausbau eigener Kompetenzen und Ressourcen sichern möchte. Dies gilt insbesondere für Gebiete wie Software, Energie und Lebensmittelversorgung, die eng mit der nationalen Sicherheit verknüpft sind. China verbessert seine Produktionsprozesse durch weitere Automatisierung und Fortentwicklung der einheimischen Halbleiterindustrie. Letztere sollte von der steigenden Nachfrage nach modernen Technologien wie z.B. smarten Verkehrslösungen profitieren.

Abbildung 2: Globale Forschungs- und Entwicklungsausgaben und Wachstum (Mrd. US-Dollar)

Abbildung 2

Quelle: OECD-Daten, Stand: 2019. Die obigen Angaben dienen lediglich zur Illustration; sie sind nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers oder als Strategieoder Anlageberatung.

Innovative grüne Technologien

Im Zuge seiner Autarkiebestrebungen investiert China hohe Summen in grüne Technologien. Bei erneuerbaren Energien nimmt das Land bereits eine Spitzenposition ein; im Solarsektor werden über 70% des globalen Ausstoßes in China erzeugt2 . Außerdem ist das Land mit einem Anteil von 40% am globalen Umsatz der weltweit größte Markt für Elektrofahrzeuge3

China will den Höchststand seiner CO2 -Emissionen im Jahr 2030 erreichen und netto bis 2060 CO2 -neutral sein. Das stellt insofern eine Herausforderung dar, als das Land bisher in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig ist und weiterhin neue Kohlekraftwerke baut. Allerdings fördert die Regierung nachhaltig Solar- und Windkraft und baut die erforderliche Infrastruktur aus, was die grüne Wende vorantreiben sollte.

Abbildung 3: Energiequellen in China

Abbildung 3: Energiequellen in China

Quelle: Goldman Sachs, Januar 2022. Diese Angaben sind nicht als Empfehlung oder Anlageberatung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder als Anlageberatung zu verstehen. Ein oben als Beispiel genanntes Wertpapier muss nicht unbedingt im Portfolio enthalten sein, weder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Dokuments noch zu einem späteren Zeitpunkt. Die obigen Angaben dienen lediglich zur Illustration; sie sind nicht als Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers oder als Strategieoder Anlageberatung anzusehen.

Chancen im Gesundheitswesen und im Finanzsektor

Im chinesischen Gesundheitswesen besteht beträchtlicher Spielraum für Innovation und Wachstum. Der Sektor ist durch die Coronapandemie in den Vordergrund getreten. China gibt im Verhältnis zum BIP immer noch weniger für das Gesundheitswesen aus als die EU, Japan oder die USA. Höhere Investitionen sind dringend erforderlich, weil der Druck auf das Gesundheitswesen steigen wird: Bis 2060 werden 398 Millionen Menschen, also knapp 30% der chinesischen Bevölkerung, 65 Jahre oder älter sein.

Derweil könnten einige Finanzdienstleister von Finanzmarktreformen wie der anhaltenden Liberalisierung der Kapitalmärkte und Verbesserungen der Marktinfrastruktur profitieren. Dadurch könnten sich auch die Konjunkturaussichten insgesamt verbessern. Natürlich lässt sich immer nur schwer einschätzen, was das kommende Jahr bringen wird – vor allem in einem so volatilen Markt wie China. Aber es gibt durchaus Anlass, zum Beginn des Jahres des Hasen optimistisch zu sein.

Fünf Gründe, warum das Jahr des Hasen den Anlegern Glück bringen könnte
  1. Nach der Lockerung der Null-Covid-Maßnahmen könnte sich der Nachfragestau aus drei Jahren Bahn brechen und das Wachstum stützen.
  2. Maßnahmen zum Abbau der Finanzierungsengpässe am Immobilienmarkt könnten die Wirtschaft stützen.
  3. Die Spannungen im Verhältnis zu den USA scheinen abzuklingen.
  4. Eine Reihe von Sektoren, z.B. Software, Gesundheitswesen, Halbleiter und Elektrofahrzeuge, könnten von Chinas Autarkiebestrebungen profitieren.
  5. Chinesische Aktien sind angemessen bewertet, und unseres Erachtens sind die Voraussetzungen für eine Erholung der Gewinne gegeben.

1. Weiterführende Lektüre: China’s Phase 3: a new chapter in its epic story (allianzgi.com)
2. Forbes, Stand: 31. März 2022
3. Virta Global, Stand: 30. Juni 2021

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