Infrastruktur neu denken
Warum die Infrastruktur der Schlüssel für die Energiewende ist

Die bestehende Infrastruktur vieler Länder ist oft Jahrzehnte alt. Das ist einer der Gründe dafür, dass 27 % der Weltbevölkerung mit ihrer Infrastruktur unzufrieden sind. Zwar liegt der Zufriedenheitsgrad bei etwa 40 %, aber dieser Wert kann durch Maßnahmen wie eine Modernisierung der aktuellen Infrastruktur durchaus gesteigert werden.1
In den letzten Jahren hat der weltweite Umstieg auf nachhaltige Energielösungen deutlich Auftrieb erhalten. Trotz wechselnder politischer Unterstützung investieren viele Länder weltweit weiterhin in erneuerbare Energiequellen wie Solar-, Wind- und Wasserkraft oder grünen Wasserstoff und fördern die Forschung im Bereich bahnbrechender umweltfreundlicher Technologien. Dieser Wandel erfordert jedoch auch erhebliche Investitionen in die Infrastruktur.
Verstärkte Reduzierung der CO2 -Emissionen
Die durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hat die Bedeutung der Versorgungssicherheit für Europa und die ganze Welt verdeutlicht. Die Energiewende hat das Potenzial, die Abhängigkeit Europas von (fossilen) Energieimporten deutlich zu verringern und diese durch grünen Strom und grüne Gase zu ersetzen, die in Europa erzeugt werden. So wird auch das Ziel der Klimaneutralität vieler Länder weltweit unterstützt. Laut der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) sind im 1,5-Grad-Szenario bis 2050, Investitionen in Höhe von 150 Billionen US-Dollar in Übergangstechnologien und -infrastruktur erforderlich, was einem jährlichen Durchschnitt von 5,3 Billionen US-Dollar entspricht.2
Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist neben der Energieerzeugung ein wichtiger Pfeiler auf dem Weg zur Klimaneutralität. Dabei wird der Einsatz fossiler Brennstoffe durch grüne Gase und grünen Strom ersetzt. Verkehr ist für etwa 20-25 % aller Treibhausgase weltweit verantwortlich und ohne Gegenmaßnahmen werden sich die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 verdoppeln. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, aber auch die Chance, in diesem Sektor einen grundlegenden Wandel herbeizuführen.3 Mit Hilfe von nachhaltigem Privatkapital, zum Beispiel von der Allianz und anderen langfristigen institutionellen Infrastrukturanlegern, lassen sich viele Projekte umsetzen, die deutliche Auswirkungen auf die Emissionsreduzierung haben werden.
Beispielsweise sind seit Ende 2023 in Norddeutschland die weltweit ersten batteriebetriebenen Züge im Regelbetrieb im Einsatz. Die neuen batterieelektrischen Triebwagen ersetzen die Dieseltriebwagen, die bisher im Einsatz waren, da nun genügend stromführende Streckenabschnitte vorhanden sind. Dadurch könnten jährlich 10 Millionen Liter Diesel und etwa 26.000 Tonnen CO2 eingespart werden.4
Der weltweite Energieverbrauch wird bis 2050 voraussichtlich um 50 % steigen. Dabei wird in Entwicklungsund Schwellenländern ein Anstieg von bis zu 70 % erwartet.5 Damit dieses Wachstum ökologisch nachhaltig und klimaneutral ist, ist eine umfassende Energiewende unerlässlich. Grüner Wasserstoff, „grüne Elektronen“ und andere grüne Moleküle wie Biogas und Biomethan können eine wichtige Rolle bei diesem Wandel spielen. Sie sind klimaneutral und vielseitig einsetzbar in Sektoren, die schwer zu reduzieren sind, wie Zement, Stahl und Düngemittel, welche zusammen etwa 25 % der globalen CO2 -Emissionen6 und der Energiespeicherung ausmachen. Viele Regierungen entwickeln bereits Wasserstoffstrategien und erkennen das Potenzial von Wasserstoff in der Energieversorgung, im Schwerlastverkehr, in der Luftfahrt und in der Schifffahrt. Für die Erzeugung von Wasserstoff ist Strom erforderlich. Es gilt der allgemeine Konsens, dass dieser erhöhte Bedarf durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden sollte, um grünen Wasserstoff oder seine Derivate zu erzeugen.
Abbildung 1: Weltweite jährliche CO2 -Emissionen (2022)

Mehr Energie erfordert mehr Netze
Natürlich bedeutet der steigende Energieverbrauch auch einen höheren Bedarf an grüner Energieerzeugung. Es müssen mehr grüne Anlagen – vor allem Solar- und Windparks – gebaut oder erneuert werden. Ohne eine Anpassung der Übertragungs- und Verteilernetze wird dies jedoch nicht ausreichen. Solange die Stromnetze, Ladestationen, aber auch Speichertechnologien und Gasnetze, etwa für den Transport grüner Gase wie grüner Wasserstoff, nicht ausgebaut werden, können Systeme diese neuen und stärker schwankenden Formen der Stromerzeugung nicht bewältigen. Um die nationalen Klimaziele zu erreichen, müssen sich die Investitionen in Stromnetze nach über zehn Jahren der Stagnation auf globaler Ebene bis 2030 auf über 600 Milliarden USD pro Jahr nahezu verdoppeln. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Digitalisierung und Modernisierung der Verteilernetze7 und auf neuen Hochspannungsleitungen. So sollen Offshore-Anlagen angeschlossen, der Transport an Land zu Industriezentren ermöglicht und die Interkonnektivität der Länder sichergestellt werden.
Für den Aufbau der Infrastruktur von morgen müssen Projekte jetzt initiiert werden. Durch den zunehmenden Druck auf die nationalen Haushalte werden private Kapitalquellen für die Finanzierung dieser Entwicklungen unerlässlich sein. Neben der Finanzierung sind zur Umsetzung dieser Investitionsprojekte auch schnellere Genehmigungsverfahren sowie zuverlässige und stabile rechtliche Rahmenbedingungen nötig. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen, langzeitorientierten Infrastrukturanlegern, die andere Quellen für Anlagekapital erschließen können, erhöht die Erfolgschancen dieser Initiativen.
Ein Beispiel ist der NeuConnect-Interkonnektor, die erste unterseeische Stromverbindung zwischen Deutschland und Großbritannien. Der Baubeginn dieses Projekts erfolgte in der ersten Hälfte des Jahres 2024. Das Projekt wurde 2017 initiiert und soll 2028 fertiggestellt werden.8 Eigentümer sind institutionelle Anleger wie die Allianz, die auf langfristige Investitionen setzen und die Gelder ihrer Versicherungsnehmer aus Renten- und Lebensversicherungen anlegen. Britische und deutsche Energieregulierungsbehörden schufen die rechtlichen Rahmenbedingungen, um dieses Projekt mit langfristigem, günstigem Investitionskapital zu ermöglichen.
Abbildung 2: Private Investitionen in Infrastrukturprojekte nach Sektor

Hinweis: „Sonstiges“ umfasst die (allgemeinen) Bereiche Umwelt und Infrastruktur.
Quelle: cdn.gihub.org/umbraco/media/5416/infrastructure-monitor-report-2023.pdf
Wussten Sie, dass...?
- 40 % der Verteilernetze in Europa über 40 Jahre alt sind11
- Grenzüberschreitende Energieinfrastrukturprojekte die Produktionskosten bis 2040 um 9 Mrd. Euro jährlich senken können11
- Mindestens 3.000 Gigawatt (GW) Strom aus erneuerbaren Energiequellen, 1.500 GW davon in einer Phase vor dem Netzanschluss, darauf warten, an das Verteilernetz angeschlossen zu werden7
- Stromausfälle bereits jetzt rund 100 Milliarden USD pro Jahr kosten, also etwa 0,1 % des globalen
BIP7 - Europa weltweit bei Patenten für die Energiewende führt, vor Japan und den USA
Wasserstoff: Ein zentraler Bestandteil grüner Energien
An grüne Moleküle wie Wasserstoff und seine Derivate werden große Hoffnungen hinsichtlich der Energiesicherheit, der Energiewende und der Wettbewerbsfähigkeit geknüpft, insbesondere für Sektoren, die sich schwer reduzieren lassen. Wasserstoff sichert durch seine Speicherkapazität auch die Stromversorgung während Zeiten mit geringer Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Wir können jedoch nicht den gesamten benötigten grünen Wasserstoff selbst produzieren. In einigen Regionen der Welt, die auf günstige erneuerbare Energiequellen wie Solar-, Wind- und Wasserkraft zurückgreifen können, ist die kostengünstige Produktion von grünem Wasserstoff einfacher, andere Länder werden auf Importe angewiesen sein.
Im Jahr 2021 lag die Wasserstoffnachfrage bei etwa 94 Millionen Tonnen, hauptsächlich in Form von grauem Wasserstoff (Wasserstoff, der aus Erdgas ohne CO2 -Abscheidung hergestellt wird). Bis 2050 wird die Nachfrage nach kohlenstoffarmem Wasserstoff voraussichtlich dramatisch auf zwischen 350 und 530 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen. Um diesen Bedarf zu decken, müssen Regierungen und Unternehmen gemäß Schätzungen von BCG9 im Zeitraum von 2025 bis 2050 etwa 6 bis 12 Billionen USD in die Produktion und den Transport von kohlenstoffarmem Wasserstoff investieren.
Im Rahmen dieses Prozesses werden derzeit Speicherinfrastrukturen, Elektrolysekapazitäten und Pipelines geplant. Institutionelle Anleger wie die Allianz können für die Beschleunigung dieser Entwicklungen ausschlaggebend sein. Die Allianz investiert in Norwegen und Finnland bereits in grüne Wasserstoffprojekte, um den Wandel voranzutreiben.
Abbildung 3: Erwartete weltweite Nachfrage nach grünem Wasserstoff (MTPA*)

* MTPA = Million Tonnen pro Jahr (LNG). Quelle: IRENA (International Renewable Energy Agency), Roland Berger Hydrogen Market Model, 2023
Kein Wandel ohne Kapitalerweiterungen
Die meisten neuen Technologien für die Energiewende erfordern hohe Investitionen. Allein in Europa werden bis 2050 Investitionen in Höhe von 2 bis 3 Billionen EUR prognostiziert. Gerade Europa leidet unter schwachen Kapitalmärkten und einem Mangel an Expansionskapital.10 Viele Geschäftsmodelle für die Energiewende, wie die Produktion grüner Moleküle, Energiespeicherung, Ladebatterien für Elektrofahrzeuge, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, industrielle Wärme und sogar Prozesse der Kreislaufwirtschaft, können infrastrukturähnlich strukturiert und mit langfristig angelegten Mitteln institutioneller Anleger zu wettbewerbsfähigen Kosten finanziert werden. Ein Beispiel dafür ist die Investition der Allianz in Ren-Gas, einen finnischen Entwickler von Projekten für grünen Wasserstoff und grünes Methanol zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs.
Privates Kapital von langzeitorientierten institutionellen Anlegern kann daher für die Umsetzung der Energiewende und die Bereitstellung von Expansionskapital für Unternehmen wichtig sein, die sich aktiv für die Energiewende einsetzen.
Die Energiewende hält sich auf der Agenda vieler Länder weiterhin ganz oben. Mit steigenden nationalen Haushaltsdefiziten und der Nachfrage nach Investitionen zur Beschleunigung der Modernisierung der Infrastruktur, vor dem Hintergrund der Energiewende, ist privates Kapital erforderlich. Institutionelle Anleger mit langjähriger Erfahrung im Infrastrukturbereich und einer langfristigen Perspektive können die treibende Kraft für die künftige finanzielle und wirtschaftliche Leistung sein.
1 https://giia.net/insights/global-infrastructure-poll-reveals-public-concerns-over-climate-resilience-and-support
2 World Energy Transitions Outlook 2023: 1.5°C Pathway
3 https://energiewende-global.com/en/mobility/
4 https://akkuzug.nah.sh/assets/Subsite3/Files/FAQ-Akkuzug-gesamt-final_Upload3.pdf
5 Green hydrogen and Power-to-X products, BMZ
6 The huge climate problem of cement, steel and…, Canary Media
7 Executive summary: Electricity Grids and Secure Energy Transitions – Analysis, IEA
8 Executive summary: Electricity Grids and Secure Energy Transitions – Analysis, NeuConnect-Interkonnektor
9 Infrastructure Strategy 2023: Building the Green Hydrogen Economy, BCG
10 Financing and commercialisation of cleantech innovation
11 Factsheet_EU Action Plan for Grids.pdf