Update Magazin I/2023
Grünes Wachstum statt dunkler Zukunft
Der Klimawandel? Findet statt. Der CO2 -Ausstoß in die Erdatmosphäre? Steigt, wenn auch verlangsamt. Trotz der Ausnahme des Pandemiejahrs 2020. Die Maßgabe ist daher klar: Das 1,5-Grad-Ziel beim Temperaturanstieg darf nicht gerissen werden. Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen?
Das Ziel ist klar – den Klimawandel einbremsen. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es eine ganze Reihe von Lösungsansätzen im argumentativen Köcher. Einer davon heißt „Degrowth“. Dieser Ansatz sieht seine Begründung in der Begrenztheit der Ressourcen und wurde bereits in „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ im Jahr 1972 formuliert. Nach mehreren Aktualisierungen erschien 2016 „Reinventing Prosperity“ mit der Grundaussage: „Ein Prozent (Wachstum) ist genug“. Dabei ging es auch darum, das Wachstum der Weltbevölkerung als einen der wichtigsten Treiber für den Ressourcenverbrauch zu drosseln und ins Negative zu verkehren. Gedanken, die an Thomas Robert Malthus und seinen Aufsatz „The Principle of Population“ aus dem Jahre 1798 erinnern.
Kein Wachstum ist auch keine Lösung
Nun ist Wachstum kein Selbstzweck, aber kein Wachstum ist auch keine Lösung, und das aus mindestens zwei Gründen: Zum einen müsste „Degrowth“ ein globaler Ansatz sein. Zum anderen hat die Menschheit einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben – und das ist bei Weitem noch nicht überall erreicht.
Stichwort globaler Ansatz: Null- oder sogar Negativwachstum müsste ein weltweit durchgeführter Ansatz sein, das wird zum Beispiel auch bei den Kohlendioxidemissionen deutlich. Nur ein kleinerer Teil (gut 12 Prozent) kommt aus der EU, rund 2 Prozent kommen aus Deutschland, ein größerer, aber im Trend abnehmender Teil aus den USA. Auch Japan steuert verhältnismäßig wenig bei, während der Anteil Chinas und der aufstrebenden Staaten über die Jahrzehnte deutlich zugenommen hat (siehe
Die Menschheit hat einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben – und das ist bei Weitem noch nicht überall erreicht.
Die Inflation hat beinahe den höchsten Stand seit einer Generation erreicht. Für viele Anleger stellt sich daher die Frage, wie sich längerfristig hohe Inflationsraten auf die Finanzmärkte und damit auf ihre Portfolios auswirken könnten. Dabei hilft der Blick in die Vergangenheit. Doch zuvor der Blick in die Gegenwart.
Es ist zwar nicht unüblich, dass die Inflation im Laufe des Konjunkturzyklus auch einmal hoch ausfällt, aber der aktuelle Inflationszyklus weist doch einige Besonderheiten auf. Durch die Covid-19-Pandemie wurden die globalen Lieferketten so stark wie nie zuvor unterbrochen. Darüber hinaus hat die Invasion der russischen Streitkräfte in die Ukraine die Versorgung mit Energie, Dünger und Getreide gestört. Weil diese Faktoren zusammenkamen, sind die Preise so stark angestiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch der Arbeitsmarkt hat sich durch die Pandemie tiefgreifend verändert. Dadurch steigen die Löhne, wodurch sich die Inflation verstetigt. So weit die Gegenwart. Und was lehrt der Blick in die Vergangenheit?
Aktie ist nicht gleich Aktie
Er zeigt, dass Aktien in jenen Phasen, in denen die Wirtschaft wuchs und die Inflation moderat war, vergleichsweise gut abgeschnitten haben. Bei steigenden Inflationserwartungen können die Kurse zwar kurzfristig sinken, aber langfristig gelten Aktien insgesamt als gute Inflationsabsicherung. Allerdings ist Aktie nicht gleich Aktie. Es lohnt sich, genauer zu untersuchen, welche Folgen die Inflation auf die einzelnen Sektoren hat. Beispiel US-Wirtschaft, der Wirtschaftsraum also mit den belastbarsten Inflationsdaten: Unternehmen aus Sektoren wie etwa Energie und Grundstoffe halten beziehungsweise kontrollieren häufig physische Vermögenswerte und verkaufen gegebenenfalls rohstoffbasierte Produkte. Weil der Wert ihrer Aktiva und der Preis ihrer Produkte parallel zur Inflation ansteigen, weisen ihre Aktienkurse eine positive Korrelation mit den Inflationsraten auf. Mit anderen Worten: In der Regel steigen ihre Kurse also bei einer Inflationsbeschleunigung an. Bei Unternehmen aus Sektoren wie Grundbedarfsgüter und Versorger ist dagegen eine negative Korrelation mit den Inflationsraten zu erkennen. Das liegt in einem hohen Maß daran, dass diese Unternehmen Rohstoffe verbrauchen und daher höhere Input-Preise akzeptieren müssen. Das wiederum wirkt sich im Durchschnitt negativ auf deren Gewinnmargen und Aktienkurse aus
Wenn man noch etwas genauer hinsieht, findet sich auch die Antwort auf die Frage, ob innerhalb eines Sektors bestimmte Unternehmen stärker von der Inflation betroffen sind als andere. Damit stoßen wir auf das Gebiet des aktiven Portfoliomanagements vor, das möglichst potenzielle Gewinner identifizieren soll. Manche Unternehmen können ihre Preise erhöhen und so gestiegene Kosten an ihre Kunden weitergeben. Aktive Anleger versuchen, genau solche Unternehmen anhand der Entwicklung des Absatzes und der Gewinnmargen zu identifizieren. Sie suchen qualitativ hochwertige Unternehmen mit hohen und stabilen Gewinnmargen, die bei hohen oder steigenden Inflationsraten tendenziell besser abschneiden.
Langfristig gelten Aktien insgesamt als gute Inflationsabsicherung.
A/ JÄHRLICHE CO2-EMISSIONEN ANTEILIG NACH REGIONEN
Quellen: EDGAR, Carbon Monitor für 2020, Allianz Global Investors, Global Capital Markets & Thematic Research. Die frühere Wertentwicklung lässt nicht auf zukünftige Renditen schließen.
Wer kein Wachstum will, muss Umverteilung wollen
Umverteilung von den reichen auf die armen Nationen? Wie schwierig, ja unmöglich das ist, verdeutlicht Branko Milanović, einer der wohl profiliertesten Forscher zum Thema Ungleichheit. Er kommt zu dem Ergebnis: Wenn das Wirtschaftswachstum der Welt auf dem aktuellen Niveau eingefroren würde, müssten entweder 10 bis 15 Prozent der Weltbevölkerung in absoluter Armut verbleiben und rund die Hälfte von kaufkraftbereinigten 7 US-Dollar am Tag leben – oder es müsste zu massiven Umverteilungen von Wohlstand kommen, was schlicht nicht möglich ist.
In Kaufkraft gemessen, so zeigt Milanović, verfügen die Menschen im globalen Durchschnitt über 16 US-Dollar pro Tag. In Deutschland liegt diese Zahl bei täglich über gut 75 US-Dollar, weltweit eine Spitzenposition. Von 75 auf 16 US-Dollar, damit es jedem durchschnittlich gleich schlecht geht? Nicht vorstellbar. Umverteilung lässt den Kuchen also nicht größer, sondern kleiner werden. Bleibt zu erwähnen, dass sich dieses Gedankenmodell auf die heute lebenden knapp 8 Milliarden Menschen bezieht und nicht auf die erwarteten 11 Milliarden. Realistisch?
Die Lösung heißt daher nicht „Degrowth“, sondern „Green Growth“ – „grünes Wachstum“. Wachstum also, das vom Treibhausgasausstoß entkoppelt ist. Das ist kein Traum, sondern Realität für praktisch alle Länder. Beispiel USA. Dort hat sich das Bruttoinlandsprodukt real seit 1970 ver3,7-facht, während die Kohlendioxidemissionen bis beispielsweise zum Jahrtausendwechsel um 40 Prozent gestiegen sind und sich seither verringern (siehe
Diese Entkoppelung muss konsequent fortgeführt werden, bis wir in der Netto-null-Emissionswelt angekommen sind. Gebraucht werden dazu Innovationen und Investitionen, dazu Marktwirtschaft mit Wettbewerb, um diesen Übergangsprozess zu ermöglichen.
B/ BRUTTOINLANDSPRODUKT USA, ENERGIEVERBRAUCH UND CO2 EMISSIONEN, 1800–2017
Quellen: Andrew McAfee, „More from Less“, morefromlessbook.com/data, ourworldindata.org (BIP), Energy Information Administration (Energieverbrauch[Primärenergieverbrauch, gemessen in British Thermal Units] und CO2-Emissionen [gemessen in metrischen Tonnen])Stand: 2017.
Umverteilung lässt den Kuchen nicht größer, sondern kleiner werden.
#FinanceForFuture? FinanceForFuture!
Eine Studie von McKinsey1 für Europa aus dem Jahr 2020 geht davon aus, dass über die nächsten 30 Jahre privatwirtschaftliche und öffentliche Klima-Investitionsausgaben in Höhe von 28 Billionen Euro benötigt werden. Beim größten Teil dieses geschätzten Investitionsbedarfs handelt es sich laut McKinsey um ohnehin anstehende (Ersatz-)Investitionen, die gleich für die Dekarbonisierung mit genutzt werden können. Diese Investitionen sind zum überwiegenden Teil rentabel beziehungsweise werden umso rentabler, je höher der Preis für Klimagase steigt.
Auch die Finanzierung dieser Investitionen ist nicht aus der Welt. Immerhin verwalten die rund 4.000 Unterzeichner der PRI-Initiative („UN Principles for Responsible Investment“, unterschrieben von Asset-Managern, Pensionsfonds, Versicherungen) zusammen 120 Billionen US-Dollar. Diese Kapitalsammelstellen haben sich verpflichtet, ihren Investitionsentscheidungen die Nachhaltigkeitskriterien „ESG“ zugrunde zu legen.
Dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien dabei dem Anlageerfolg nicht abträglich sein muss, zeigt unter anderem eine Studie von NYU Stern Center for Sustainable Business und Rockefeller Asset Management aus dem Jahr 2021, welche als Metastudie mehr als 1000 akademische Analysen der Jahre 2015 bis 2020 auswertet.2 Sie kommt zu dem Schluss, dass aus der Unternehmensperspektive die Korrelation von Investitionen in die Nachhaltigkeit und deren Rendite in rund 60 Prozent der Fälle positiv, in 13 Prozent neutral und in 21 Prozent gemischt ist. Nur in 8 Prozent der Studien ergibt sich ein negatives Zusammenspiel. Aus Investorenperspektive ergibt sich in 33 Prozent der Fälle eine positive Korrelation. 26 Prozent der Studien weisen auf ein neutrales Ergebnis hin, nur 14 Prozent kommen zu einem abträglichen Ergebnis. Diese Zahlen geben ein Gefühl dafür, dass es beim Kampf gegen den Klimawandel und für Nachhaltigkeit um „Finance for Future“ geht.
All das zeigt: Die Dekarbonisierung der Wirtschaft kann gelingen. Was wir dafür brauchen, ist ein Zusammenspiel von Marktwirtschaft, Innovationen und Investitionen. Und von „Finance for Future“, denn alle Investitionen müssen am Ende auch finanziert werden. Investieren mit Nachhaltigkeitskriterien kommt eine Schlüsselrolle auf dem Weg zum grünen Wachstum zu.
1 McKinsey, „How the European Union (…)“, Dezember 2020.
2 NYU Stern, „ESG AND FINANCIAL PERFORMANCE: (...)“, 2021.