Schlussfolgerungen und Themen unseres Investment Forums in Hongkong

Schlussfolgerungen und Themen unseres Investment Forums in Hongkong

Zusammenfassung

Mitte Januar kamen unsere Investmentspezialisten aus aller Welt in der Finanzhauptstadt Asiens zu unserem halbjährlichen Investment Forum zusammen. Die räumliche Nähe des Veranstaltungsorts zu Festlandchina deckte sich in diesem Jahr in besonderer Weise mit einer thematischen Nähe – nicht zuletzt infolge des US-chinesischen Handelsstreits, der nach wie vor für Unruhe an den Märkten sorgt. Angesichts weltweit zunehmender Verschuldung, politischer Unsicherheit und einer uneinheitlichen Entwicklung der Weltwirtschaft scheint eine aktive langfristige Ausrichtung die beste Strategie für Anleger zu sein.


Update Magazin I/2019
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Aktive Anleger können der uneinheitlichen Entwicklung der Weltwirtschaft und den Rezessionsängsten trotzen

2018 war ein insgesamt schwieriges Börsenjahr: Magere Renditen und anziehende Volatilität – insbesondere gegen Jahresende – ließen globalen Anlegern nur wenige Rückzugsräume. Die Märkte sind sich der weltweit zunehmenden konjunkturellen Ermüdungserscheinungen bewusst. Die spätzyklische Konjunkturphase weist zunehmend Bruchstellen auf: Das Wachstum der Unternehmensgewinne hat seinen Höhepunkt erreicht („Peak Earnings“), die fiskalpolitischen Anreize laufen allmählich aus und die Notenbanken fahren ihre Maßnahmen zur Liquiditätsversorgung zurück.

Das größte Problem für die Weltwirtschaft dürfte jedoch die Verschuldung sein (siehe Grafik A/). Die letzte große Schuldenkrise wurde letztlich durch noch mehr Schulden bekämpft. China zählt mit einer Schuldenquote von rund 300 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2018 zu den größten Sündern. Doch auch viele andere Länder haben kräftig an der Schuldenschraube gedreht, weshalb sich die auf US-Dollar lautende Verschuldung außerhalb der USA inzwischen auf Rekordhoch befindet. Beispiel Türkei: Hier müssen Unternehmen in den kommenden Jahren Schulden in Höhe von rund 250 Mrd. US-Dollar refinanzieren – ein Kraftakt angesichts steigender Zinsen.

Unter Ökonomen gibt es zwar verschiedene Auffassungen, was unter einem „normalen“ Zinsniveau zu verstehen ist, von einer allgemeinen Normalisierung sind wir derzeit allerdings weit entfernt. Die Zinsen dürften noch für längere Zeit niedrig bleiben. Die Jagd nach Erträgen ist damit wichtiger denn je – insbesondere, da selbst niedrige Inflationsraten langfristig zu einem erheblichen Kaufkraftverlust führen können.

Doch wo lassen sich Renditen erzielen? Asiatische Anleihen und High Yield-Anleihen besitzen ein attraktives Renditepotenzial, wenngleich Risiken wie eine nachlassende Wachstumsdynamik, steigende Volatilität und sinkende Bonität im Blick zu behalten sind. Für laufende Erträge bieten sich Dividendenaktien – vorrangig aus Asien und Europa, weniger aus den USA – und inflationsindexierte Anleihen an.

Das Wirtschaftswachstum entwickelt sich weltweit zunehmend uneinheitlich. In den USA sorgt eine nachlassende konjunkturelle Dynamik für wachsende Rezessionsängste. Der Verflachungstrend der Renditekurve und der schwächere Häusermarkt könnten zwar auf eine Abkühlung der US-Wirtschaft im laufenden Jahr hindeuten, ein Abrutschen in die Rezession halten wir für das Jahr 2019 jedoch für unwahrscheinlich. Doch selbst in einer Rezession sollten aktive Investoren in der Lage sein, durch Konzentration auf Fundamentaldaten und unterstützt durch hauseigenes Research Investmentchancen aufzuspüren.

A/ Schuldenabbau? Welcher Schuldenabbau?
Verhältnis von Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt nach Region

Verhältnis von Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt nach Region

Quelle: Allianz Global Investors, BIZ, Datastream; Stand: Q1 2018

Trump und Brexit sind nicht die einzigen politischen Belastungsfaktoren, auch wenn sie derzeit im Fokus der Medien und Märkte stehen

Geopolitische Spannungen gehen an den Märkten nicht länger spurlos vorüber. Schlagzeilen zum Thema „Populismus“ – und die damit einhergehende globalisierungskritische Stimmung – können für Verunsicherung unter Anlegern an den Aktien-, Anleihe- und Währungsmärkten sorgen. Ein Zurückdrehen der Globalisierung würde es Unternehmen erschweren, Kostenvorteile durch Optimierung von Lieferketten und Margen zu erschließen. Ein Handelskrieg würde die Rahmenbedingungen noch weiter verschlechtern.

In den USA sieht sich Präsident Trump einem auf Parteiebene gespaltenen Kongress gegenüber, der auf Seiten der Demokraten für einen erneuerten Fokus auf das System der wechselseitigen Kontrolle („Checks and Balances“) genutzt wird. Donald Trump wird bald in den Wahlkampfmodus schalten, und wir gehen davon aus, dass er für seine Wiederwahl 2020 alle ihm zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung setzen wird, insbesondere im Bereich der Handelspolitik. Wir wären daher auch nicht überrascht, wenn er in Kürze nach einem Weg zur Entspannung des Handelskonflikts mit China suchen würde, um die USA anschließend als Sieger zu erklären. Daneben könnte er sich mit den Demokraten auf gemeinsame Initiativen verständigen und sich bei den Infrastrukturausgaben oder der Reform des Gesundheitswesens kompromissbereit zeigen, auch wenn jeder Schritt in Richtung einer Preisbremse für Medikamente nachteilig für Pharmaaktien wäre.

In Europa scheint der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zum Dauerthema zu werden. Wie auch immer der Brexit-„Endzustand“ letztlich aussieht: Weitere handelspolitische Spannungen mit den EU-Ländern erscheinen unvermeidlich. Einige Wirtschaftssektoren Großbritanniens und manche EU-Mitgliedstaaten wären hiervon stärker betroffen als andere, für britische Assets dürfte der Brexit jedoch ein holpriger Ritt werden.

Die Blicke der Anleger richten sich u. a. auf die kommende Europawahl, auf innenpolitische Spannungen in Italien, auf anhaltende Unruhen in Frankreich, auf die Wachstumsverlangsamung der deutschen Wirtschaft sowie auf wichtige Wahlen in Indien und Indonesien. Dabei sollten jedoch die Chancen einzelner Regionen oder Sektoren nicht aus den Augen verloren werden. Hier könnten eine stärkere Differenzierung, eine selektivere Vorgehensweise und der Fokus auf robuste Fundamentaldaten eine intelligente, gegen den Marktkonsens gerichtete Strategie sein.

Ein „technologischer kalter Krieg“ könnte weitreichendere Folgen haben als ein Handelskrieg

Schlagzeilen über den Handelskonflikt zwischen den USA und China verstellen den Blick auf ein womöglich noch ernsteres Problem: einen möglichen „technologischen kalten Krieg“ zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt (siehe Grafik B/).

Die US-Regierung sieht in China eine strategische Bedrohung, während China seine technologische Abhängigkeit von den USA verringern möchte. Beide Länder fürchten, zu stark auf gemeinsam genutzte Technologien und Anbieter angewiesen zu sein, insbesondere vor dem Hintergrund des schwelenden Handelsstreits, der beiden Ländern die Fragilität bestehender Lieferketten vor Augen führt. Wir befürchten daher, dass sich in den USA und China im Laufe der Zeit zwei eigenständige, miteinander konkurrierende technologische Ökosysteme entwickeln könnten, woraufhin die restliche Welt – darunter die asiatischen Nachbarn Chinas – gezwungen sein könnten, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Dies würde Geschäftsmodelle und Lieferketten beeinträchtigen, wovon insbesondere große US-Technologiefirmen betroffen wären, die zwar im Silicon Valley Innovationen hervorbringen, diese dann aber in Asien produzieren lassen. Neben den Verlierern eines technologischen kalten Krieges wird es jedoch auch Profiteure der wachsenden Konkurrenz zwischen China und den USA geben – allen voran Länder wie Thailand und Vietnam, aber auch Indien und Indonesien. Hiervon können Anleger profitieren, die bereit sind, Risiken einzugehen, um mit den Gewinnern dieses Konflikts Erträge zu erzielen.

Wir sind der Überzeugung, dass es für China und die USA insgesamt vorteilhafter wäre, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten. Einer späteren Aussöhnung müsste jedoch zunächst eine verbale Abrüstung im Handelsstreit vorausgehen. Bis dahin stellen wir uns auf anhaltende Volatilität und schwächeres Wachstum ein. Anleger könnten in diesem Umfeld beispielsweise an den Aktienmärkten auf starke langfristige Technologie-Themen wie Smart Cities (intelligente Städte), künstliche Intelligenz und Disruption setzen.

China – eine Assetklasse für sich

China polarisiert. Viele Anleger sind überzeugt, dass China mit seiner wachsenden Wirtschaftskraft eine der faszinierendsten Investmentstorys des 21. Jahrhunderts ist – vorangetrieben durch den Fokus auf Innovation und die Neuausrichtung der Volkswirtschaft auf konsumgestütztes Wachstum. Andere sehen dagegen die staatlichen Eingriffe, die Handelsspannungen zwischen China und den USA sowie das schuldenfinanzierte Wachstum der chinesischen Wirtschaft mit Sorge. Hinzu kommt die hohe Schwankungsanfälligkeit der von kurzfristig orientierten Privatanlegern dominierten Aktienmärkte des Landes.

Nach unserer Einschätzung ist die Regierung in Peking den Herausforderungen des Landes gewachsen; sie weiß, wie wichtig der Schuldenabbau der Volkswirtschaft und eine strengere Kontrolle der Kreditvergabe sind. Die Führung des Landes versucht einen Balanceakt zwischen Reformen und Wachstum, und sie wird nach unserer Einschätzung alles tun, um hierbei erfolgreich zu sein. Es genügt ein Blick auf den Umfang des Modernisierungsprogramms „Made in China 2025“ und der Seidenstraßeninitiative „One Belt, One Road“, um zu verstehen, mit welchem Ehrgeiz China in seine Zukunft investiert – und dabei bereit ist, kurzfristige Schmerzen in Kauf zu nehmen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Viele unserer Kunden teilen unsere Einschätzung zur langfristigen Entwicklung Chinas. Der anhaltende Handelskonflikt mit den USA stellt zwar weiterhin ein Problem dar, das in unseren Augen jedoch mittel- bis langfristig gelöst werden wird. Und selbst für den Fall eines technologischen kalten Krieges könnten Anleger von Investments in beide Ökosysteme profitieren.

Die Navigation an den lokalen Aktienmärkten erfordert einen langfristigen Ansatz mit Fokus auf Fundamentaldaten. Hierbei ist die Einbeziehung von ESG-Faktoren unerlässlich. Im Mai 2018 wiesen 86 % der im MSCI-Schwellenländerindex enthaltenen chinesischen A-Aktien (Aktien chinesischer Unternehmen, die an den Festlandsbörsen Shanghai und Shenzhen gehandelt werden) ein unterdurchschnittliches Governance-Rating auf. Dies verdeutlicht, weshalb wir ein eigenes ESG-Research betreiben – um uns in diesem wichtigen Bereich ein eigenes fundiertes Bild machen zu können – und weshalb wir unsere Erkenntnisse mit unseren Kunden teilen.

Für viele Anleger ist China eine attraktive Assetklasse – insbesondere infolge des zuletzt gesunkenen Bewertungsniveaus chinesischer A-Aktien und der attraktiven realen Renditen chinesischer Anleihen als Beimischung eines globalen Rentenportfolios. Wir sind überzeugt, dass China als Assetklasse durch eine weitere Verbesserung der ESG-Standards noch attraktiver werden wird.

B/ Im F&E-Wettbewerb mit den USA holt China rasant auf
Globaler Prozentanteil der Ausgaben für Forschung & Entwicklung am BIP und durchschnittliche jährliche Wachstumsrate

Im F&E-Wettbewerb mit den USA holt China rasant auf

Quellen: OECD-Daten, UNESCO-Institut für Statistik (UIS), Allianz Global Investors. Daten für USA, Frankreich, Polen und Taiwan per 2015, alle anderen Daten per 2016. Der Kreisdurchmesser spiegelt den relativen Anteil der jährlichen Ausgaben für Forschung & Entwicklung im jeweiligen Land wider (nach Kaufkraftparität in US-Dollar).

Fünf Schlussfolgerungen für Anleger

  1. Langfristig planen
    Unter dem Eindruck der jüngsten Marktentwicklungen und Rezessionssorgen ist es nachvollziehbar, dass Anleger das baldige Auslaufen des überdurchschnittlich langen (aber vergleichsweise schwachen) Konjunkturzyklus befürchten. Wir halten diese Ängste allerdings für verfrüht. Trotz Marktkorrekturen und erhöhter Volatilität sollten Anleger die langfristigen Vorteile des Kumulationseffekts nutzen. Auch sollten sie ihren Blick über die kurzfristigen Nachrichten und das politische Gezänk hinaus auf starke Bilanzen und andere Qualitätsmerkmale richten, die das Fundament langfristig erfolgreicher Investments bilden.
  2. Aktiv diversifizieren – über alle Assetklassen hinweg
    Neben einem Mix aus Aktien, Anleihen und Kasse sollten auch alternative Anlagen einbezogen werden, da diese weniger mit traditionellen Assetklassen korrelieren und zur Optimierung des Rendite-Risiko-Profils von Portfolios beitragen können. Denkbar ist auch eine flankierende Diversifizierung mit gegen den Marktkonsens gerichteten Investmentideen (z. B. Aktien britischer Unternehmen) und antizyklischen Positionen zur Absicherung (u. a. US-Staatsanleihen). Auch Staatsanleihen aus Asien und Schwellenländern dürften bei der Jagd nach Erträgen eine gute Wahl sein.
  3. Volatilität aktiv nutzen
    Gegen Ende des vergangenen Jahres zeigten die Märkte deutliche Anzeichen von Stress. Die Marktreaktionen dürften zwar überzogen gewesen sein, doch geopolitische Spannungen, geldpolitische Normalisierung und andere Faktoren scheinen auch künftig für erhöhte Volatilität zu sorgen. Für aktive Anleger könnten die Korrekturen an den Aktien- und Anleihemärkten jedoch auch die Chance eröffnen, selektiv in risikoreiche Assets zurückzukehren. Dagegen dürfte es mit passiven Investments auf Basis vergangenheitsorientierter Benchmarks schwerfallen, Chancen von morgen wahrzunehmen, während zugleich lediglich die Volatilität des Marktes nachgebildet wird. Starke Kursrallys lassen sich wiederum zur Reduzierung von Positionen nutzen, wobei Anleger allerdings der Versuchung widerstehen sollten, den hierfür idealen Zeitpunkt bestimmen (den Markt „timen“) zu wollen.
  4. Das größte Risiko besteht darin, kein Risiko einzugehen
    Die heutigen Marktentwicklungen tragen zur Verunsicherung der Anleger bei. Das größte Risiko besteht jedoch darin, aus dieser Unsicherheit heraus überhaupt kein Risiko einzugehen. Dies kann sich langfristig negativ auf die Kaufkraft auswirken. Zudem verzichtet man damit auf attraktive Chancen, die nach unserer Auffassung auch im aktuellen Umfeld existieren. Beim kalkulierten Eingehen von Risiken sollten durch Auswahl qualitativ hochwertiger Unternehmen – mit soliden Bilanzen, robusten Dividenden und guter Unternehmensführung (Corporate Governance) – unnötige Risiken minimiert werden. Mithilfe des fundamentalen Research werden Aktien, Sektoren und Trends identifiziert, die Wachstumspotenzial erwarten lassen und von langfristigen Entwicklungen profitieren können.
  5. Besseres Rendite-Risiko-Profil durch ESG
    Nachhaltige Investments unter Einbeziehung ökologischer, sozialer und Governance-Aspekte (ESG-Kriterien) erfreuen sich rasant wachsender Anlegernachfrage – mit gutem Grund: ESG-Kriterien bündeln den Blick zur Identifizierung von Qualität sowie von Verbesserungs- und Wertsteigerungspotenzial. Unternehmen mit erfolgreichem ESG-Management sind mitunter langfristig besser aufgestellt und können einen wertvollen Beitrag zur Wertentwicklung von Portfolios leisten. Aufstrebende Volkswirtschaften wie China wirken aktiv auf die Verbesserung der Standards guter Unternehmensführung hin. Durch Weiterentwicklung der Geschäftspraktiken kann ein nachhaltigeres Wachstum von Unternehmen gefördert werden, wovon auch die Kapitalmärkte profitieren.


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Der globale Schulden-Superzyklus

Der globale Schulden-Superzyklus

Zusammenfassung

Große internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben in den vergangenen ein bis zwei Jahren wiederholt vor der wachsenden Verschuldung der Weltwirtschaft gewarnt. Im Folgenden möchten wir daher untersuchen, wo wir – mehr als ein Jahrzehnt nach Ausbruch der globalen Finanzkrise – im globalen Schulden-Superzyklus stehen. Neben der Gesamtverschuldung und der Verschuldung in US-Dollar außerhalb der USA durchleuchten wir auch, welche Sektoren zu den Kreditnehmern und -gebern zählen und welche Konsequenzen sich aus alldem für das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Finanzmärkte ergeben.

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