Zusammenfassung
Im nachfolgenden Interview spricht Prof. Richard B. Freeman, Harvard-Professor für Arbeitsökonomie, über „Roboter“, das Gesetz komparativer Vorteile, menschliche Arbeit und wie sich durch Kapitalbeteiligung eine Brücke zwischen Kapital und Arbeit schlagen lässt.
Update Magazin I/2019 |
Immer wieder liest man in den Medien über den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen durch fortschreitende Automatisierung und den Vormarsch intelligenter Roboter¹. Wie ernst müssen wir diese Warnungen nehmen?
Richard B. Freeman:
Nach dem ökonomischen
Prinzip komparativer Vorteile sollten sich Robotertechnologien
zunächst auf die Tätigkeitsfelder
der Beschäftigten und auf das Erwerbseinkommen
auswirken, anstatt automatisch in die Massenarbeitslosigkeit
zu führen. Denn selbst wenn Roboter
alle Arbeiten besser ausführen können,
wird dadurch menschliche Arbeitskraft nicht überflüssig,
da es immer Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche
gibt, die der Mensch günstiger verrichten
kann (und damit größere komparative Vorteile
besitzt), während umgekehrt Maschinen in Bereichen
zum Einsatz kommen, in denen menschliche
Arbeitskraft teurer ist.
Wenn ich an meine Kinder denke: Wie sollten sie sich auf die Zukunft der Arbeit und die Konkurrenz mit Robotern einstellen?
Richard B. Freeman:
In der nun beginnenden
„4. industriellen Revolution“ (auch „Industrie 4.0“
genannt) dreht sich alles um die Frage, ob es auch
bei gut bezahlten kognitiven Tätigkeiten – die bislang
als Domäne des Menschen gelten – zu einer
Verschiebung der komparativen Vorteile in Richtung
Roboter kommen wird. Werden wir für die
Roboter arbeiten oder arbeiten die Roboter für uns?
Frühere Mechanisierungs- und Automatisierungswellen
verliehen den Maschinen komparative
Vorteile, indem sie körperlich anstrengende oder
gefährliche Arbeiten übernahmen oder – als technische
Hilfsmittel – zur Steigerung menschlicher
Leistungsfähigkeit beitrugen. Da diese Maschinen/
technischen Hilfsmittel auf bestimmte Tätigkeitsbereiche
spezialisiert waren und nicht denken konnten,
besaß der Mensch komparative Vorteile bei Arbeiten,
die kognitive Fähigkeiten und Flexibilität voraussetzten,
etwa um zwischen einzelnen Arbeitsschritten
oder Aufgabenstellungen zu wechseln.
Als der technologische Fortschritt zu einem Abbau
von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft zugunsten
der Industrie und von der Industrie zugunsten des
Dienstleistungssektors führte, profitierten die Menschen
von besseren Arbeitsplätzen mit höherer
Bezahlung gegenüber der Zeit vor der Automatisierung
ihrer früheren Arbeitsplätze. Zu Beginn des
21. Jahrhunderts wurde der komparative Vorteil
der Maschinen durch den Vormarsch von Robotik
und Automatisierungssoftware schließlich von
körperlicher Arbeit auf menschliche Routinetätigkeiten
ausgeweitet.
Verstehe. Meine Kinder sollten sich ranhalten. Doch wird ihnen eine bessere Bildung im Kampf um größere komparative Vorteile wirklich helfen?
Richard B. Freeman:
Nehmen wir hierfür beispielhaft
Googles Algorithmus AlphaZero, der in der
Lage ist, Brettspiele (wie Schach oder Go) autodidaktisch
zu lernen und Spielzüge nahezu in Echtzeit
auszuführen. Wenn man bedenkt, dass Alpha-
Zero nur 24 Stunden braucht, um selbstständig von
null auf übermenschliche Spielstärke zu gelangen,
dann kann man sich ausmalen, wozu eine weiterentwickelte
Version dieses selbstlernenden Algorithmus
in zwanzig Jahren fähig sein wird, wenn die
Kinder von heute in den Arbeitsmarkt eintreten.
Wird sich ein Arbeitgeber im Jahr 2040 für einen
Schulabgänger/Hochschulabsolventen oder für die
künstliche Intelligenz AlphaN (höchstwahrscheinlich
mit Cloud-Anbindung) entscheiden? In einer
digitalen Arbeitswelt scheint es nur eine Frage der
Zeit, bis sich auch bei kognitiven Aufgaben der komparative
Vorteil in Richtung Maschinen verschiebt.
Das erinnert mich an den Dialog zwischen Henry Ford II. und dem Vorsitzenden der US-Automobilgewerkschaft Walter Reuther während eines Rundgangs durch ein automatisiertes Montagewerk. Henry Ford II.: „Walter, wie bringen Sie diese Roboter dazu, Gewerkschaftsbeiträge zu zahlen?“ Walter Reuther: „Henry, wie bringen Sie sie dazu, Ihre Autos zu kaufen?“
Richard B. Freeman:
Hier sprechen Sie einen wichtigen
Punkt an. Die Eigentumsverhältnisse entscheiden,
welche Auswirkungen intelligente Roboter-
Technologien auf die Einkommen haben.
In einer Welt, in der Maschinen den Großteil der
Arbeit (und damit der Erwerbsmöglichkeiten der
Menschen) übernehmen, werden die Eigentümer
dieser Maschinen die Gewinner sein, während
die mit den Maschinen konkurrierenden Arbeitnehmer
das Nachsehen haben. Sind Sie der Eigentümer
des Roboters, der Ihre Arbeit oder die Arbeit
anderer ersetzt, dann profitieren Sie von der neuen
Technologie. Bin ich jedoch nicht der Eigentümer
des Roboters, der meine Arbeit übernimmt, dann ...
tja, Pech gehabt!
Sprechen wir also über Kapitalbeteiligung!
Richard B. Freeman:
Es gibt zwei Möglichkeiten,
die Einkommen so zu verteilen, dass breite Bevölkerungsschichten
vom „unerträglichen Überfluss“
profitieren, den uns Robotertechnologien mit künstlicher
Intelligenz (KI) bieten können. Die erste Möglichkeit
besteht darin, die Kapitalbeteiligung auf
eine breitere Basis zu stellen, indem Arbeitnehmer
stärker als bisher an „ihrem“ Unternehmen, aber
auch am übrigen Produktivkapital der Volkswirtschaft
partizipieren. Hierdurch wird gewährleistet,
dass die Menschen an den Produktivitätsgewinnen
durch intelligente Maschinen teilhaben, anstatt als
Arbeitnehmer mit diesen Maschinen konkurrieren
zu müssen. Die zweite Möglichkeit ist die Einführung
eines Steuer-/Abgabensystems, das Kapitaleigner
mit einer Robotersteuer (wie von Bill Gates
vorgeschlagen) oder mit einer globalen Kapitalsteuer
(wie von Thomas Piketty angeregt) belegt,
um mit den Einnahmen allen Bürgern eine gebührenfreie
Nutzung von Gütern und Dienstleistungen
zu ermöglichen – analog zum Konzept des bedingungslosen
Grundeinkommens, über das in letzter
Zeit intensiver diskutiert wird. Mein Fokus gilt allerdings
dem Ansatz der Kapitalbeteiligung, getreu
dem Diktum: „Wer die Roboter besitzt, regiert die
Welt.“
Kapitalbeteiligung und Kapitaleinkommen vs. Kapitalkonzentration und Umverteilung. Wie lässt sich die Teilhabe am Kapital stärken?
Richard B. Freeman:
Die Verbreitung der Kapitalbeteiligung
von Arbeitnehmern muss zunächst
im „eigenen“ Unternehmen ansetzen, das durch
stärkere Anreize ermuntert wird, neue Vergütungssysteme
einzuführen oder bestehende Systeme
auszuweiten, die den Erfolg des Unternehmens
oder der Arbeitsgruppe an die Entlohnung der
Arbeitnehmer koppeln; gleichzeitig müssen die
Arbeitnehmer mit Anreizen zur Teilnahme an
solchen Programmen bewegt werden. Der entscheidende
Vorteil der Mitarbeiterkapitalbeteiligung
besteht darin, dass sie eine Brücke zwischen
Kapital und Arbeit schlägt, indem sie die Mitarbeiter-
Miteigentümer motiviert, die Leistungsfähigkeit
ihres Unternehmens zu verbessern, wovon sowohl
Arbeitnehmer als auch nicht im Unternehmen
beschäftigte Kapitaleigner profitieren können.
Stößt diese Art der Beteiligung nicht an Grenzen? Meine Großmutter sagte immer, man solle nicht alle Eier in einen Korb legen.
Richard B. Freeman:
In der Tat. Arbeitnehmer
müssen substanziell am Produktivkapital beteiligt
sein – sowohl an ihrem Unternehmen als auch an
anderen Kapitalgesellschaften. Wenn man die
Einschätzung teilt, dass der Vormarsch der Robotertechnologie
auch bei hochqualifizierten kognitiven
Tätigkeiten zu einer Verschiebung des komparativen
Vorteils zugunsten der Maschinen führt und
dass die Kapitalbeteiligung die beste Möglichkeit
darstellt, die Herrschaft einer kleinen Gruppe von
Robotereigentümern in einer dystopischen Zukunft
zu verhindern, dann dürfte die weitere Vorgehensweise klar sein. Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Gewerkschaften
und Politik sollten die Weichen in Richtung
einer stärkeren Mitarbeiterbeteiligung stellen und
darauf hinarbeiten, dass mehr Bürger zu Kapitaleignern
werden. So könnten beispielsweise Pensionsfonds
durch Allokation in Aktien einen wichtigen
Beitrag leisten, um breiten Bevölkerungskreisen die
Teilhabe an den technologischen Errungenschaften
einer Zukunft zu ermöglichen, in der KI-Roboter
immer mehr Tätigkeiten – und damit Erwerbsmöglichkeiten
– des Menschen übernehmen.
1) „Roboter“ dient hier als Oberbegriff für jede Form disruptiver Technologien.
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Zusammenfassung
Was bedeutet es eigentlich, wenn man sich als langfristig orientierter Anleger versteht? Dies war eine der zentralen Fragen, um die sich die Diskussionen beim Investment Forum in Frankfurt drehten. Unter anderem ging es um den Klimawandel und die künftige Entwicklung Europas – und unsere Anlagestrategen arbeiteten die Überzeugungen heraus, auf denen die langfristigen Investmentstrategien für unsere Kunden basieren.